Fliegen nur mit Otoplastik!
Bundeswehr ist der größte Aussteller - und kaschiert allzu viel Pfusch der Industrie
Ohrstöpsel helfen sicher den Zuschauern. Doch was hilft, wenn man beispielsweise in einem NH90-Hubschrauber fliegen muss? Vor rund einhundert Jahren, als aus Hüpfen und Gleiten motorgetriebene Flüge wurden, hörten die tollkühnen Männer (Frauen kamen erst später auf den Pilotensitz) in ihren leinwandbespannten Holzrahmen nur das Rauschen des Flugwindes. Der wurde allenfalls ab und zu übertönt durch eine Fehlzündung des Motorchens.
Heute dagegen wird Kraft auch in Lautstärke umgewandelt. Jede der beiden Turbinen des modernste militärischen Transporthubschraubers NH90 - hergestellt vom westeuropäischen Konsortium NHIndustries - bringt 1253 kW auf den Rotor. Und die Piloten zum Ohrenarzt. Der stellte, so bestätigte das Verteidigungsministerium gegenüber dem Haushaltexperten Michael Leutert von der Linksfraktion, bereits mehrfach bleibende Schäden fest. Also begrenzte die Luftwaffe »die wöchentlichen Realflugstunden für die Luftfahrzeugführer mit dem Basishelm TopOWL ... auf vier Stunden«. Und man entwickelte einen besonderen Gehörschutz - Otoplastik genannt . Der gestattet die Einsatzzeit »auf zwölf Realflugstunden pro Woche« anzuheben.
Fachleute im ILA-Tower, die den Flug des Super-Helis beschreiben, reden davon freilich nicht. Auch nicht davon, dass der Hubschrauber Jahre zu spät ausgeliefert wird, dass er beim ersten Einsatz in Afghanistan Fahrwerkbruch erlitt, dass die Navigation ausfiel, dass ein modern ausgerüsteter Infanterist und der für ihn konstruierte Sitz nicht zusammenpassen, dass der Heli für bestimmte Einsätze der KSK-Elite ungeeignet ist.
Die Marineversion »Sea Lion«, von denen die Deutsche Marine wider Willen 18 Stück beschaffen muss, schleppt ebenfalls diverse Probleme mit sich herum. Aus der niederländischen Marine kommen massive Klagen vor allem über Rost.
Problemhaftes lässt sich auch über andere Waffensysteme sagen, die von der Indutrie und dem Militär auf der ILA vorgeführt werden. Jüngst beklagte sich der Bundesrechnungshof darüber, dass niemand wisse, wie viel die Eurofighter der Luftwaffe wirklich kosten. 1997 wollte man 180 Stück für 11,8 Milliarden Euro kaufen. Inzwischen ist die Bestellung auf 140 Jets reduziert. Die 11,8 Milliarden Euro sind aber so gut wie ausgegeben, obwohl noch lange nicht alle Maschinen ausgeliefert sind.
Wer die Herstellung des Airbus-Militärtransporters A400M als schleppend bezeichnet, wird ausgelacht. Über vier Jahre ist man hinter dem Zeitplan zurück. Und Exportküller sind weder der Eurofighter noch der A400M-Transporter.
Als die ILA 1990 an ihren angestammten Messeplatz Berlin heimkehrte, gab es zum Teil kräftige Proteste gegen den Auftritt des Militärs, vor allem der Bundeswehr. Inzwischen hat man sich offenbar daran gewöhnt. So wie an den Pfusch, der wie selbstverständlich bezahlt wird. hei
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