Anwalt muss Überwachung hinnehmen

Bundesverwaltungsgericht: Ohne konkrete Überführung des Geheimdienstes kein Gerichtsprozess

  • Sven Eichstädt, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Bundesnachrichtendienst durchsucht E-Mails in großem Umfang anhand von Schlagworten. Eine Klage dagegen wies das Bundesverwaltungsgericht als unzulässig ab.

Der Berliner Anwalt Niko Härting hatte im Februar 2013 Klage beim obersten deutschen Verwaltungsgericht erhoben. Am Mittwoch wurde sie von dessen sechstem Senat als unzulässig abgewiesen, weil Härting nicht habe darlegen können, dass er von der BND-Überwachung betroffen war (Aktenzeichen BVerwG 6 A 1.13). Härting ist Mitglied verschiedener deutscher und internationaler Anwaltsorganisationen. Nach seinen Angaben kommuniziert er seit vielen Jahren per E-Mail häufig mit ausländischen Mandanten, Kollegen und anderen Gesprächspartnern und dabei vielfach in Angelegenheiten, die dem Anwaltsgeheimnis unterliegen. Seine Klage gegen den BND hatte er damit begründet, er müsse damit rechnen, dass auch seine anwaltliche Korrespondenz erfasst und gelesen worden sei.

Bei seiner Klage bezog er sich auf das Jahr 2010. In diesem Jahr hatte der BND bei seiner strategischen Telekommunikationsüberwachung den E-Mail-Verkehr anhand von mehr als 30 000 Suchbegriffen durchforstet. Dabei fielen 37 Millionen Treffer an. Von diesen stufte der BND schließlich 213 als nachrichtendienstlich relevant ein, darunter zwölf E-Mails.

Zur Begründung der Zurückweisung der Klage führte der Vorsitzende Richter Werner Neumann an, dass sich Härtings Klage »auf einen konkreten, gerade den Kläger betreffenden Sachverhalt« hätte beziehen müssen.

»Mit der Feststellungsklage kann nicht allgemein, also losgelöst von einer eigenen, konkret feststehenden Betroffenheit die Rechtmäßigkeit behördlicher Maßnahmen einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zugeführt werden.« Sie wäre deshalb nur zulässig gewesen, »wenn der Telekommunikationsverkehr des Klägers, insbesondere sein E-Mail-Verkehr im Jahre 2010 im Zuge der strategischen Telekommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst tatsächlich erfasst worden wäre«. Wenn sich nur die Möglichkeit nicht ausschließen lasse, reicht danach für das Gericht nicht aus. Dass der E-Mail-Verkehr des Klägers im Jahre 2010 von der strategischen Telekommunikationsüberwachung tatsächlich erfasst war, habe der Senat nicht feststellen können, führte der Vorsitzende Richter weiter aus.

Die für seine Überwachung nicht relevanten Nachrichten löscht der Geheimdienst, was auch im Jahr 2010 passierte. Deshalb gestand Richter Neumann dem Anwalt zu, »zwar durch die Heimlichkeit der Überwachung einerseits und die gesetzlichen Löschungsvorschriften andererseits in eine Beweisnot zu geraten, für den Fall seiner tatsächlichen Betroffenheit diese belegen zu können«. Dennoch könne auch nicht in Ausnahmen davon abgesehen werden, dass die konkrete Betroffenheit des Klägers feststehen muss. Neumann sah die Gefahr, dass sonst »letztlich eine allgemeine Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte eröffnet wird, weil sich die bloße Möglichkeit einer Betroffenheit schwerlich ausschließen lässt«.

Der Richter sah es für die Kontrolle der Spionagepraxis des Auslandsgeheimdienstes als ausreichend an, dass dies »durch die unabhängige und mit effektiven Kontrollbefugnissen ausgestattete G-10-Kommission des Bundestages« geschehe. Diese Kommission verfügt über über vier Mitglieder. Härting hingegen sieht diese Kommission als keinesfalls ausreichend an und will nun Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einreichen.

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