Das Leben ist ein Staubsauger

Arte zeigt die neue Dokumentation »Krieg der Patente«

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.

Beim Wort »Patent« denken viele Menschen möglicherweise an leicht vertrottelte, ölverschmierte mittelständische Garagenbastler im Blaumann mit Bleistift hinter dem Ohr, die ihre Erfindung vor dem Diebstahl durch die Konkurrenz schützen wollen. Es erscheint auf den ersten Blick logisch und gerecht, dass mühsam entwickeltes »geistiges Eigentum« beim Urheber lizenziert werden muss. Denn wer würde wohl sonst noch Nerven, Zeit und Geld in jene Innovationen investieren, die unser aller Leben ein Stück komfortabler machen? Würde ohne Patente nicht der Forschertrieb abgewürgt, würde nicht die menschliche Entwicklung erlahmen? Doch dann schnappt man hier und da verstörende Dinge auf. Von Patenten auf Erdnussbutter-Sandwiches, auf Yoga-Posen, ja auf einzelne menschliche Gene ist zu hören. Oder davon, dass jedes einzelne iPhone von unvorstellbaren 250 000 Patenten geschützt ist. Ist hier also noch alles im Lot?

Einen fundierten, verblüffenden, teilweise schockierenden und, angesichts des eher trockenen Themas, spannenden Film zu Nutzen, Schaden und geradezu perversen Auswüchsen der heutigen Patentwirtschaft sendet Arte an diesem Dienstag. In ihrer Dokumentation »Der Krieg der Patente« fächert Regisseurin Hannah Leonie Prinzler das Thema auf, fliegt in die USA und diverse Schwellenländer, spricht dort und hierzulande mit Anwälten, Aktivisten und Tüftlern.

Am Ende des abendfüllenden Films empfindet man den Titel vielleicht als irreführend. Denn es ist nicht zuerst der »Krieg« der Patente-Inhaber untereinander, der fassungslos macht, wie der aktuelle zwischen Apple und Samsung, sondern der Kampf von Patent-Monopolisten gegen erpressbare Länder, Konsumenten, Kranke und Wehrlose - gegen »uns alle«.

Denn dass man die Technik eines neuartigen Staubsaugers schützen möchte, ist nachvollziehbar. Aber gilt das auch für neue Aids-Medikamente, die den Patienten durch Patentklagen vorenthalten werden, wodurch ohne Not Leben in Gefahr geraten?

Und ist es nicht das Gegenteil vom proklamierten »Schutz geistigen Eigentums«, sondern vielmehr dreister Diebstahl, wenn die US-Firma Rice-Tech versucht, in Indien Lizenzgebühren für ein (wie auch immer erschwindeltes) Patent auf den Basmati-Reis einzuklagen? Oder wenn die Firma »Myriad Genetics« einzelne Gene »patentiert«, dadurch ein Monopol auf bestimmte Brustkrebsuntersuchungen erhält und diese dadurch extrem verteuern kann? Laut Film werden Patente zudem heute nicht mehr von findigen Individuen angemeldet, sondern von den Forschungsabteilungen großer Firmen.

Regisseurin Prinzler bleibt nicht bei der Anklage stehen, sondern erläutert Gegenmodelle zum Patentschutz, wie Open-Source-Projekte oder ein neues, flexibleres Schutzsystem namens »Creative Commons«. Kritisieren könnte man eine gewisse Einseitigkeit. So hätte man zu gerne die Argumente eines Apple- oder Rice-Tech-Managers zu dem Thema gehört.

Schuld am Patent-Schlamassel ist übrigens auch Deutschland. Denn als Nation, die beim Thema »Diebstahl geistigen Eigentums« gerne anklagend Richtung China zeigt, haben »wir« eine beeindruckende Geschichte als Produktpiraten. Ab dem 19. Jahrhundert nahm das laut der Dokumentation solche Ausmaße an, dass die Briten Patente einführten - um sich gegen die Schrott-Kopien der Deutschen zu schützen.

1. Juli, 22.55 Uhr, Arte

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