Voreilige Taufpaten
Leipzigs geplantes Einheitsdenkmal wird wohl umziehen - und vielleicht ganz anders werden
Im Leipziger Untergrund sind bereits vollendete Tatsachen geschaffen. Auf einer Tafel im neuen Citytunnel werden Bahnreisende mit dem Hinweis begrüßt, sie befänden sich unter dem »Platz der Friedlichen Revolution«. Zwar heißt die unansehnliche Brachfläche am oberen Ende der Rolltreppen offiziell noch »Wilhelm-Leuschner-Platz«, und so steht es in Bahnblau auch auf den Stationsschildern. Als aber der Citytunnel Ende 2013 eröffnet wurde, vertrauten die Verantwortlichen darauf, dass in absehbarer Zeit das geplante Denkmal für die friedliche Revolution im Herbst 1989 gebaut - und der Platz dann teilweise umgetauft würde.
Derzeit sieht es freilich so aus, als müsse der Schriftzug wieder entfernt werden. Jüngste Äußerungen aus der Stadtverwaltung deuten darauf hin, dass ein Umzug das Mindeste ist, was dem »Freiheits- und Einheitsdenkmal« droht. In einer Stellungnahme zu einem Antrag der LINKEN heißt es, der geplante Standort scheine »nicht mehrheitsfähig«, was »auch von der Verwaltung festgestellt« worden sei.
Der absehbare Umzug ist nur die jüngste überraschende Volte in einer Geschichte, die seit 2007 währt. Damals beschloss der Bundestag die Errichtung zweier Denkmäler in Berlin und Leipzig, mit denen an den Herbst 1989 erinnert werden soll. In Leipzig war man zuversichtlich, das Denkmal zum 25. Jahrestag der Ereignisse im Herbst 2014 einweihen zu können. Davon ist keine Rede mehr. Im Stadtrat gibt es einen ernsthaften Antrag, den Gedenkort erst zum 50. Jahrestag, also 2039, zu übergeben.
Das Ansinnen ist eine Konsequenz aus dem völlig verfahrenen Wettbewerb zur Gestaltung des Denkmals. Im Sommer 2012 waren drei Preisträger gekürt worden. Die Sieger regten an, auf dem Platz 70 000 bunte Würfel aufzustellen - in Anspielung auf die Zahl der Montagsdemonstranten. 1200 sollten fest verankert werden, die übrigen als »Botschafter der Demokratie« mitgenommen werden können. Große Teile der Leipziger Öffentlichkeit waren von der Idee - gelinde gesagt - nicht angetan. In einer zweiten Runde wurde im Juli 2013 der zuvor Drittplatzierte präferiert, ein Entwurf namens »Herbstgarten«, bei dem die nur aus der Luft zu lesende Parole »Keine Gewalt« in einem Park aus Apfelbäumen installiert werden soll. Weil die Kriterien für die Neubewertung völlig unklar blieben, zog das zurückgestufte Büro vor Vergabekammer und Gericht - und bekam teilweise Recht. Mindestens die zweite Bewertungsrunde, so entschied im Februar 2014 das Oberlandesgericht in Dresden, müsse wiederholt werden.
In der Stadt mehren sich seither die Stimmen, die das Denkmal am liebsten völlig beerdigen wollen. Das Rathaus wollte davon bisher nichts wissen. Zum einen baut man auf die vom Bund und dem Land Sachsen zugesagten Fördergelder in Höhe von 6,5 Millionen Euro; zum anderen erwartet man, auf den bisherigen Kosten von 500 000 Euro sitzen zu bleiben.
Allerdings deutet die Verwaltung in der Antwort auf den Antrag der LINKEN, der nächsten Mittwoch behandelt wird und zum wiederholten Mal einen Bürgerentscheid fordert, einen Sinneswandel an. Demnach ist nicht nur der Umzug denkbar, sondern auch ein völliger Neustart. Falls der Stadtrat gegen einen Auftrag zur Planung des Denkmals stimmt, »wäre das Vergabeverfahren beendet«, heißt es. Dann solle völlig neu »über Gestalt und Verfahren für eine angemessene Würdigung« des Herbstes 1989 entschieden werden. Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen: Die 70 000 bunten Würfel auf dem Leuschner-Platz wird es nicht geben.
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