Erich Mühsam

LESEPROBE

  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist nicht möglich, Leben und Werk Erich Mühsams getrennt voneinander zu betrachten, und es gibt wohl kaum einen Schriftsteller, bei dem ein solcher Versuch sinnloser wäre. Der schüttelreimende Kabarettist lässt sich ebenso wenig vom staatsfeindlichen Freigeist trennen, wie der melancholische Poet vom politischen Häftling, der anarchistische Agitator nicht vom lebenslustigen Erotomanen und der Dramatiker nicht vom handelnden Revolutionär. Selbst Mühsams langsames und qualvolles Sterben als eines der ersten Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie war kein bitterer Zufall. Denn er wurde nicht vorrangig seiner jüdischen Herkunft wegen ermordet, wie so viele nach ihm, sondern als Anarchist und Autor jenes umfangreichen Werkes, das er uns hinterlassen hat, ein Werk, das weder im unverwechselbaren Sound und Witz seiner Sprache noch in seinem emanzipatorischen Inhalten an Aktualität verloren hat. Mühsams Kernthemen waren unbeschränkte Freiheit im Leben und Denken sowie der Kampf »für Gerechtigkeit und Kultur« ...

Zu Mühsams weiterem Werdegang sei an dieser Stelle nichts gesagt. Das wollten wir ihm selbst überlassen und haben daher die lyrischen und essayistischen Texte so mit autobiografischem Material kombiniert, dass Mühsams Leben in seinen eigenen Worten mit erzählt wird ... Was Mühsams letzte grauenvolle anderthalb Jahre in den Gefängnissen und KZs Nazideutschlands betrifft, so gibt es hierzu naturgemäß nur wenige eigene Aufzeichnungen. An dieser Stelle lassen wir seine Frau Kreszentia (Zenzl) Mühsam zu Wort kommen. Zum einen, weil wir der Ansicht sind, dass die Beschreibung seines Martyriums in dieses Buch gehört, zum anderen, weil dasselbe auf die Person Zenzl zutrifft ... Mit Erich Mühsams Tod begann für Zenzl ein lebenslanger Kampf um Nachlass und Andenken ihres Mannes. Im Zuge dessen musste sie - als Stellvertreterin seiner »gefährlichen« Ideen - in die Sowjetunion flüchten, wo sie wenig später denunziert wurde und Lubjanka, Arbeitslager und Verbannung zu überstehen hatte, bevor sie, 19 Jahre später, in die DDR ausreisen durfte. Dort ertrug sie stoisch, dass man sie als »unsichere Kantonistin« unter Aufsicht stellte, hielt sich sogar an die unmenschliche »Empfehlung«, dem Grab ihres Mannes in West-Berlin fernzubleiben und schrieb betont herzliche Briefe an eben jenen Wilhelm Pieck, der sie seinerzeit in Moskau als »Trotzkistin« ans Messer geliefert hatte - alles nur, damit Mühsams Werke wieder gedruckt werden konnten.

Aus dem Vorwort von Markus Liske und Manja Präkels zu »Erich Mühsam. Das seid ihr Hunde wert! Ein Lesebuch« (Verbrecher Verlag, 352 S., br.,16 €).

Termintipp:

Erich Mühsam Fest
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