Jago, Franz und Nathan

Günter Junghans tot

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.

In den letzten Jahren war es stiller geworden um diesen Komödianten. Ein paar Fernsehserien, einige Auftritte in Kriminalfolgen - aber doch stets ein Aufblitzen von Charakterisierungskunst. Schauspielerei als Treue zum Handwerk. Noch einmal schien Günter Junghans aufzuspielen in Gefilden, darin er immer brilliert hatte. In den Gefilden der Windigen, Verschlagenen, Grobschlächtigen - deren Sonne das Zwielicht, deren Trieb die kleine Gemeinheit oder gar das große Verbrechen war. Sein Witz kam von der Straße. Seine Kraft scheint hinter Werkstoren ausgebildet worden zu sein. Sein Zugriff auf die Welt war ein plebejischer; und der ihm nächste Mensch war wohl immer der Kumpel. Er entwickelte sich zum Schauspieler der herzlichen bis ruppigen Unmittelbarkeit. In seinem Wesen »arbeiterlich«, um einen Begriff des Soziologen Wolfgang Engler zu benutzen.

Ein Leipziger, geboren 1941. Der gelernte Schlosser und Stahlhochbauer studierte an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg, in zahlreichen DEFA- und Fernsehfilmen hat er gespielt (»Die Abenteuer des Werner Holt«, »Zünd an, es kommt die Feuerwehr«, »Ikarus«, »Broddi«). Vor allem aber hat er nach Theateranfängen in Potsdam viele Jahre das Ensemble der Berliner Volksbühne mitgeprägt. In Inszenierungen von Fritz Marquardt, dem vertrackten Querulanten, und dem brillanten Modernisierungs-Duo Karge/Langhoff.

Ich sehe ihn noch quirlig, verquer mit Hilmar Thate und Wolfgang Greese in Ostrowskis Komödie »Der Wald«, auch war er ein sinnfällig verdruckster Franz Moor in der legendären Inszenierung von Schillers »Räubern«. Neben Arno Wyzniewskis Karl Moor beeindruckte Junghans als tückischer Kretin und maßlos wütende Missgestalt - Bosheit als Rendezvous von Schlange und männlicher Mauerblume. Manfred Karge und Matthias Langhoff hatten einen Kult-Abend geschaffen, der Westdeutschlands Studentenrevolte als sehnsüchtiges Spiel von Freiheit und Rebellion in die vermauerte DDR holte.

Neben Rolf Ludwigs Othello und Katharina Thalbachs (schwangerer) Desdemona war er, ebenfalls bei Karge/Langhoff, ein fläzig-fieser Jago. Vor einigen Jahren noch einmal: das wallende Theaterblut - Junghans als Lessings Nathan (Regie: Uwe-Eric Laufenberg). Die reizvolle Verknüpfung von klassisch leiser Gedankentiefe und dem sympathisch rohen Lakonismus dieses Darstellers. Er spielte den Nathan ohne falsche Innerlichkeit, mit kluger Unterkühlung, die vor seelischer Preisgabe in gefährlicher Welt schützt.

Junghans blieb in aller Sturschädeligkeit doch immer jener Bübische, der hohe Stirn und aufgeworfene Lippen als Mittel listenreicher Verbocktheit einsetzte. Wo etwas auf der Bühne sich intellektuell hochschraubte, wirkte er wie eine ironisch kantige Kunstspiel-Bremse. Und konnte seine Figuren doch auch wunderbar übertouren. Er gehörte zu den beliebtesten Schauspielern in Ostdeutschland. Am Sonntag ist er im Alter von 73 Jahren verstorben.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.