Epochenbruch

LESEPROBE

  • Lesedauer: 2 Min.

Die Geburtsurkunde der an Karl Marx und Friedrich Engels orientierten Bewegung ist das »Kommunistische Manifest«. Es besteht zu einem erheblichen Teil in der Auseinandersetzung mit verschiedenen Varianten, die unter dem damals noch unverbrauchten Begriff des »Sozialismus« auftraten. Sie geißeln dort unter anderem den »konservativen oder Bourgeoissozialismus«, der »wünscht den sozialen Mißständen abzuhelfen, um den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern«.

Dies ist nicht das Anliegen des vorliegenden Buches. Es spricht nichts dagegen, mit politischen Mitteln zu versuchen, »sozialen Missständen abzuhelfen«. Im Nachhinein zu Recht war das trotz anderer Intentionen sogar das Hauptergebnis des Wirkens revolutionärer, auf die Aufhebung der bürgerlichen Gesellschaft zielender Menschen, zumindest in allen kapitalistischen Hochburgen, also den USA, Japan, England, Frankreich und (West-)Deutschland.

»Zu Recht« steht hier deshalb, weil alles eben seine Zeit braucht. Das Wirken für einen revolutionären Bruch, für den Übergang von der kapitalistischen zur sozialistischen Epoche der Menschheit war immer richtig. Aber erst jetzt - das ist die Kernthese dieses Buches - haben sich im Schoße der kapitalistischen Gesellschaft selbst die Voraussetzungen herausgebildet, diesen Übergang tatsächlich zu vollziehen. Das unterscheidet unsere Zeit fundamental von der im Jahre 1871, als in Paris ein sozialistischer Anlauf unternommen wurde, oder der im Jahre 1917, als in Petrograd in Russland ein weiterer Anlauf zum Sozialismus begann.

Es entwickelt sich aber nicht nur die Möglichkeit eines Epochenwechsels. Es entwickelt sich - das ist die zweite Kernthese dieser Schrift - auch die Notwendigkeit. Die Krise, die 2007 an den Finanzmärkten begann und sich 2008 unübersehbar zu einer der großen Krisen der Geschichte ausgewachsen hat, wurde vielfach verglichen mit der von 1873 oder der von 1929. Auch der Autor dieses Buches hat das getan. Bei genauerem Hinsehen aber zeigt sich: Was sich heute und morgen abspielt, geht in Tiefe und Dynamik noch über die damaligen Ereignisse hinaus. Der Kapitalismus läuft zurzeit auf die nicht nur äußerliche, sondern innere, tief in seinen ökonomischen Strukturen liegende Schranke zu, die er nicht mehr überwinden wird.

Aus dem Vorwort von Manfred Sohn zu seinem Buch »Am Epochenumbruch. Varianten und Endlichkeit des Kapitalismus« (PapyRossa, 222 S., br., 14,90 €).

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