Deutsche Polizei hat ein Problem mit Ausländern
Anteil der Mitarbeiter der Polizei mit migrantischen Hintergrund deutlich kleiner als der Anteil in der Bevölkerung
Berlin. Bei Polizei und Verfassungsschutz sind Mitarbeiter aus Zuwandererfamilien noch immer unterrepräsentiert. Die meisten Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern erfassen den Anteil der Belegschaft mit ausländischen Wurzeln zwar nicht systematisch. Dort, wo Zahlen vorliegen, fallen sie aber extrem niedrig aus. Das ergab eine Abfrage der Informationsplattform Mediendienst Integration beim Bundeskriminalamt (BKA), der Bundespolizei, allen 16 Landespolizeien sowie dem Verfassungsschutz in Bund und Ländern. Die Ergebnisse liegen der Nachrichtenagentur dpa vor. Demnach steigen die Zahlen nur allmählich - vor allem dort, wo die Behörden intensiv um Menschen aus Einwandererfamilien werben.
Bei der Polizei in Niedersachsen liegt der Anteil der Mitarbeiter mit Zuwanderungsgeschichte laut Umfrage bei 3,2 Prozent - zum Vergleich: in der Bevölkerung des Landes beträgt er 17,8 Prozent. Bei der Polizei in Rheinland-Pfalz sind es gerade einmal 2,5 Prozent (Bevölkerung: 19,6 Prozent), in Mecklenburg-Vorpommern nur 0,4 Prozent (Bevölkerung: 3,8 Prozent).
Einige Länder können lediglich beziffern, wie sich der Anteil der Menschen aus Zuwandererfamilien unter Bewerbern oder Neueinsteigern im Polizeidienst entwickelt hat: In Hessen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Schleswig-Holstein stiegen diese Zahlen in den vergangenen Jahren zwar leicht, blieben aber noch weit entfernt vom Bevölkerungsschnitt. Diese Länder bemühen sich seit einigen Jahren gezielt, mehr Menschen mit ausländischen Wurzeln anzuwerben.
Berlin und Niedersachsen gelang es durch solche Werbeaktionen, zumindest den Anteil von Polizeibewerbern mit Migrationshintergrund so zu steigern, dass er seit 2013 den Verhältnissen in der Bevölkerung ihres Landes entspricht: In Berlin hatten zuletzt 32 Prozent der Bewerber bei der Polizei ausländische Wurzeln, in Niedersachsen gut 17 Prozent.
Der Verfassungsschutz dagegen verzichtet laut Abfrage sowohl im Bund als auch in den Ländern darauf, gezielt Mitarbeiter aus Einwandererfamilien für sich zu gewinnen. In den wenigen Landesämtern, die genaue Zahlen zu Mitarbeitern mit Migrationshintergrund nennen können, fallen diese sehr niedrig aus: 5,2 Prozent sind es in Hessen, 4,1 Prozent in Niedersachsen und nur 2,7 Prozent in Hamburg. In Brandenburg liegt der Wert sogar bei null.
BKA, Bundespolizei und Bundesamt für Verfassungsschutz können laut Umfrage keine Zahlen zu den Mitarbeitern mit ausländischen Wurzeln in den eigenen Reihen nennen.
Der Fall der rechten Terrorzelle NSU hatte zahlreiche strukturelle Missstände bei Polizei und Verfassungsschutz offenbart. Dem »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) werden zehn Morde zwischen den Jahren 2000 und 2007 zur Last gelegt - überwiegend an Zuwanderern. Die Sicherheitsbehörden waren der Bande jahrelang nicht auf die Spur gekommen und hatten den fremdenfeindlichen Hintergrund nicht erkannt. Der Untersuchungsausschuss des Bundestages, der das Ermittlungsdesaster aufarbeitete, hatte unter anderem empfohlen, mehr Menschen aus Zuwandererfamilien in den Polizeidienst zu holen.
Die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic, die vor dem Einzug in den Bundestag selbst als Polizistin gearbeitet hatte, beklagte, die Zahlen seien deutlich zu gering. »Dabei haben die Erfahrungen mit dem NSU-Terror eindringlich gezeigt, dass es den Sicherheitsbehörden erheblich an interkultureller Sensibilität gemangelt hat.« Die Länder, die hinterherhinkten, sollten dringend prüfen, wie sie den Anteil von Beamten mit Migrationshintergrund erfassen und steigern könnten. »Das gilt auch für Bundespolizei und BKA«, sagte sie der dpa. »Die Verantwortlichen müssen dringend mehr tun.« Mihalic plädierte für eine gemeinsame Werbeoffensive von Bund und Ländern.
Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte der dpa, die Polizei tue schon alles, um mehr Beamte mit Zuwanderungsgeschichte anzuwerben. Sie würden dringend gebraucht. Es sei aber nicht immer einfach, geeignete Kandidaten zu finden. »Die Bildungsvoraussetzungen sind häufig nicht erfüllt.« dpa/nd
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