Bahn spielt Bau-Bau
Ab 2015 soll die Schienen-Infrastruktur in großem Stil erneuert werden
Für die Bauindustrie ist es eine Art kleines Konjunkturprogramm, was die Deutsche Bahn (DB) am Montag in ihrem Tower am Potsdamer Platz in Berlin-Mitte ankündigte: Allein im kommenden Jahr sollen rund 3800 Kilometer Schienen, 2000 Weichen, 2,5 Millionen Eisenbahnschwellen und etwa vier Millionen Tonnen Schotter erneuert oder instand gehalten werden. 5,3 Milliarden Euro darf und soll der bundeseigene Konzern 2015 investieren. Der für den Bereich Infrastruktur zuständige DB-Vorstand Volker Kefer ist begeistert und spricht vom »größten Modernisierungsprogramm, das es in der Infrastruktur der Bahn je gegeben hat«.
Der Erneuerungsboom ist auf die in der vergangenen Woche vom Bundestag beschlossene »Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung« (LuFV II) zwischen Bund und Bahn zurückzuführen. Laut dieser stehen bis 2019 mindestens 28 Milliarden Euro für Ersatzinvestitionen und Instandhaltung der bestehenden Schieneninfrastruktur bereit. Das ist eine Art Quantensprung, denn die Bahn wendete nach eigenen Angaben in den Jahren 2009 bis 2012 durchschnittlich nur 1,44 Milliarden Euro dafür auf. Die Folge ist der viel zitierte Investitionsstau.
Nun aber soll es richtig losgehen mit der Restaurierung von Brücken, Tunneln, Stellwerken, Gleisen und Weichen. Rund 1700 Mitarbeiter will die Bahn dafür zusätzlich einstellen. In Spitzenzeiten soll es gleichzeitig 850 Baustellen geben. Das bringt Verzögerungen für Reisende mit sich, die die DB mit einem speziellen Baufahrplan abzufedern versucht. Außerdem sollen möglichst wenige Strecken gleichzeitig gesperrt werden. Daher werden Bauarbeiten an einem Streckenabschnitt gleichzeitig ausgeführt - 2015 sind rund 80 solcher Korridore mit rund 500 Einzelmaßnahmen vorgesehen. Zu den Schwerpunkten zählen die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Köln und dem Rhein-Main-Gebiet, das Berliner S-Bahn-Netz und Bayern.
Bei der Finanzierung haben sich die Bahn und der Bund auf ein »linke Tasche, rechte Tasche« geeinigt. »Mit der neuen LuFV wird jeder Cent, den wir infrastrukturseitig verdienen, an den Bund ausgeschüttet und fließt von dort ohne Abstriche wieder in die Infrastruktur zurück«, beteuerte Vorstand Kefer.
Das sieht die Bundestagsopposition anders. Der Verkehrsexperte der Grünen, Matthias Gastel, weist auf fehlende Kontrollmechanismen beim Einsatz der Milliarden hin, was auch der Bundesrechnungshof bemängelt hat. Ein Blick in die Vergangenheit macht Gastel skeptisch: Es sei »absurd, dass in den Infrastrukturzustandsberichten der DB Netz AG der vergangenen Jahre meist alle Zielvorgaben erreicht worden sind und dennoch von einem Investitionsstau von 30 Milliarden Euro die Rede ist«.
Für die LINKE ist dies ein Ergebnis des anhaltenden Privatisierungskurses. Die Bahn AG sei »auf privatwirtschaftliche Bilanzziele gepolt«, kritisiert die verkehrspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Sabine Leidig. Das Kernproblem, dass Bundesmittel letztendlich in Gewinne der DB Netz AG umgewandelt werden, bestehe auch mit der neuen LuFV weiter.
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