Opposition macht es Abe leicht
Die Partei des japanischen Regierungschefs wird am Sonntag wohl ihre Mehrheit ausbauen
Die Kältewelle, die Japan seit Tagen heimsucht, macht Ichiro Ozawa nichts aus. Während sich langsam eine dünne Schneeschicht auf seinem Kopf bildet, hält der einst als Schlüsselfigur der Opposition gefeierte Berufspolitiker seine verzweifelten Anti-Abe-Reden vor einem Häuflein Zuhörer. 15 Mal hat der 72-Jährige den Einzug ins Parlament geschafft, doch jetzt muss er kämpfen wie ein unbekannter Anfänger. Wenn die Prognose der Zeitung »Sankei« von dieser Woche stimmt, könnte das einstige politische Schwergewicht sogar seinen Wahlkreis verlieren. Fast der gesamten Führungsriege der Opposition droht laut der Prognose ein ähnliches Schicksal. Japan wählt am Sonntag sein Parlament. Am Sieg der Regierungspartei von Shinzo Abe gibt es keine Zweifel.
Die größte Oppositionspartei, die Demokratische Partei Japans (DPJ), tut nicht einmal so, als hätte sie auch nur den Hauch einer Chance, Abes Liberaldemokratische Partei (LDP) und deren Juniorpartner New Komeito von der Macht zu vertreiben. Zwei Jahre, nachdem die DPJ nach einem kurzen Zwischenspiel das Ruder an die LDP zurückgeben musste, schaffen es die einstigen Hoffnungsträger der Nation nicht einmal mehr, genug Kandidaten aufzustellen, um allein die Parlamentsmehrheit holen zu können. »Wir sind noch dabei, uns von unserer Niederlage zu erholen. Es wäre wohl anmaßend, wenn wir das Volk jetzt bitten würden, uns die Macht zu überlassen«, erklärte DPJ-Generalsekretär Yukio Edano demütig in einer Fernsehsendung.
Erst vor fünf Jahren hatten die Demokraten mit ihrem Versprechen, die Konsumenten ins Zentrum der Politik zu rücken, die seit 1955 fast ununterbrochen regierende LDP aus der Regierung gedrängt. Kommentatoren feierten den historischen DPJ-Sieg bereits als Beginn einer echten Zwei-Parteien-Demokratie nach US-amerikanischem Vorbild. Doch schon bald verstrickten sich die regierungsunerfahrenen Demokraten in interne Querelen.
Gut eineinhalb Jahre nach der Fukushima-Katastrophe katapultierte das frustrierte Wahlvolk die Demokraten aus der Regierung. Was als Abwahl der Demokraten gedacht war, endete als Erdrutschsieg für LDP-Chef Abe und seine umstrittenen Abenomics - einem riskanten Konjunkturprogramm, das auf eine Mischung aus kreditfinanzierten Infrastrukturausgaben, einer ultralockeren Geldpolitik und Reformen in überregulierten Sektoren wie der Landwirtschaft oder dem Arbeitsmarkt setzt. Während Abe beachtliche Anfangserfolge feierte, zersplitterte die Opposition in diverse Kleinparteien. Doch nach zwei Jahren Abenomics mehrt sich Unmut in der Bevölkerung.
Laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur Kyodo von Ende November erklärten 47 Prozent der Befragten, dass sie Abes Regierung nicht unterstützen. Nur 44 Prozent standen noch hinter seiner Politik. 84 Prozent der Befragten gaben an, sie könnten den von Abe angekündigten Wirtschaftsaufschwung nicht spüren. Inzwischen ist die Wirtschaft sogar in die Rezession gefallen.
Dass Abe ausgerechnet jetzt vorzeitige Neuwahlen angesetzt hat, bewerten die meisten Kommentatoren als strategischen Schachzug. Er wolle seine Position konsolidieren, bevor sich die Hiobsbotschaften häufen. Solange die Opposition schwach und uneins sei, sei die Gelegenheit für Abe günstig, sich zwei zusätzliche Jahre an der Macht zu sichern.
Auch wenn ein Wahlsieg in unerreichbarer Ferne zu liegen scheint, hofft die Opposition dennoch, der Abe-Koalition wenigstens ein paar Schrammen zuzufügen, indem sie ihr die Zweidrittel-Mehrheit entreißt. Glaubt man der jüngsten Umfrage von »Sankei«, wird es sogar für dieses bescheidene Ziel eng. Es könnte Jahre dauern, ehe die LDP wieder auf einen ernst zu nehmenden Gegner trifft.
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