Linderung, keine Heilung
Christian Klemm über Juden, die in Deutschland um ihr Leben bangen müssen
Auch 70 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz fürchten Juden in Deutschland wieder um ihr Leben. Ein Umstand, der alle Deutschen mit Scham erfüllen sollte. Tut er aber nicht. Im Gegenteil: Hartnäckig halten sich antisemitische Vorurteile in der Bevölkerung, die mitunter in üblen Beschimpfungen - oder schlimmer - in Gewalt gegen Menschen jüdischen Glaubens ihren Höhepunkt finden. Erinnert sei an einen Berliner Rabbi, der wegen seiner Kippa 2012 angegriffen wurde. Kein Einzelfall in einer Gesellschaft, die sich lange mit der Aufarbeitung der Nazigräuel schwer getan hat. Dass Judenfeindlichkeit vor allem aber eine »deutsche Krankheit« darstellt, ist seit Jahren widerlegt. Der Krebs des Antisemitismus hat längst seine Metastasen gestreut. Mittlerweile ist er fast überall aufgetreten. In Deutschland ist er nie weg gewesen.
Damit nicht das Endstadium erreicht wird, bei dem jede Hoffnung auf Heilung umsonst ist, muss schleunigst mit der richtigen Therapie begonnen werden. Ob die darin bestehen kann, Synagogen oder andere jüdischen Einrichtungen unter besonderen Schutz zu stellen, wie derzeit wieder einmal gefordert wird, darf bezweifelt werden. Das wird weder die antisemitischen Klischees ausräumen, noch entschlossene Attentäter in ihrer Mordlust aufhalten. Damit wird dem Patienten höchstens Linderung verschafft - und das auch nur für eine kurze Zeit.
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