Das Programm bleibt Programm
Hardliner in der Eurogruppe setzen Athen ein Ultimatum - Finanzlage könnte im Sommer heikel werden
Im griechischen Schuldendrama stehen wieder mal Schicksalstage bevor. Die Eurogruppe setzte bei ihrem Treffen am Montagabend in Brüssel der Regierung in Athen ein Ultimatum, um eine Verlängerung des laufenden Kreditprogramms zu beantragen: »Wir können diese Woche noch nutzen, aber das ist es«, sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem in Brüssel. Griechenland werde »kein Ultimatum akzeptieren«, konterte ein Regierungsvertreter am Dienstag in Athen. Die Regierung sei entschlossen, »dem Mandat ihres Volkes« Rechnung zu tragen.
Der griechische Staat benötigt in absehbarer Zeit frisches Geld: Zum einen haben viele Griechen in Erwartung eines Wahlsieges von SYRIZA in den vergangenen Monaten nicht mehr alle Steuern bezahlt. Zum anderen stehen in diesem und im kommenden Monat eine Kreditrückzahlung von 2,1 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) und Zinszahlungen von 1,9 Milliarden Euro an andere Gläubiger an. Dies kann aus dem laufenden Haushalt nur schwer geleistet werden. Daher käme die letzte noch ausstehende Tranche aus dem Ende Februar auslaufenden Kreditprogramm des Euro-Rettungsfonds von 1,8 Milliarden Euro gerade recht. Dieses ist jedoch an harte Sparauflagen und die Überwachung durch Kontrolleure der Gläubigertroika von IWF, EU und Europäischer Zentralbank (EZB) geknüpft, was die griechische Regierung aber beides strikt ablehnt. Die Betonfraktion innerhalb der Eurogruppe um Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will daran festhalten und fordert Athen auf, um eine sechsmonatige Verlängerung dieses Programms zu bitten, damit die letzte Tranche fließen und über weitere Hilfen verhandelt werden kann. In den Sommermonaten werden nämlich weit höhere Zins- und Kreditrückzahlungen von rund 11,5 Milliarden Euro fällig. Die griechische Regierung schlägt hingegen als Kompromiss ein Überbrückungsprogramm mit geänderten Reformzusagen vor, die mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ausgearbeitet werden sollen. Finanzminister Yanis Varoufakis kritisierte, dass er beim Eurogruppentreffen keine konkreten Antworten auf die Frage erhalten habe, welcher Handlungsspielraum der griechischen Regierung künftig zugestanden werden soll.
Ohne frisches Geld droht Griechenland auf eine Staatspleite mit katastrophalen Folgen zuzusteuern. Dies ist das Druckmittel der EU-Hardliner bei ihren Forderungen nach einem einfachen Weiter-so. Allerdings könnte eine solch chaotische Entwicklung auch dazu führen, dass die Gläubiger den größten Teil ihrer Forderungen abschreiben müssten, die Finanzmärkte in Turbulenzen gerieten und andere Euro-Krisenländer hart getroffen würden. Mit diesem Trumpf in der Hand gibt sich die griechische Regierung trotz der Drohungen aus der Eurogruppe weiter gelassen.
Indes wissen viele EU-Politiker, dass es soweit nicht kommen darf, und suchen nach einer Lösung, mit der beide Seiten leben können. So hatte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici zum Eurogruppentreffen eine Kompromissformel vorgelegt, die den Begriff »Programmverlängerung« aussparte. Darin hieß es, Athen solle um eine Ausweitung des »gegenwärtigen Kreditübereinkommens« bitten - als »Zwischenschritt zu einem neuen Übereinkommen, das innerhalb der nächsten sechs Monate diskutiert und beschlossen werden« solle. Dies wurde von der Eurogruppe aber nicht aufgegriffen - man legte erneut die Forderung nach einer »technischen Ausweitung des laufenden Programmes« auf den Tisch, was Athen schon in der vergangenen Woche abgelehnt hatte. Merkwürdigerweise stimmte Moscovici nach dem Treffen Schäuble zu, dass es »keine Alternative zur Verlängerung des Programms« gebe.
Dennoch wird der Ruf nach einem Kompromiss lauter: So erklärte der britische Finanzminister George Osborne, ohne Einigung drohten »sehr schwere« Folgen für die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität. Großbritannien wolle »Kompetenz statt Chaos«. Der frühere Vizechef der EU-Kommission, Günter Verheugen, sagte im SWR, in dem Streit dürfe »nicht mit irgendwelchen Ultimaten« gearbeitet werden. Ein »Showdown« sei weder im Interesse Griechenlands noch Europas. Der SPD-Politiker zeigte Verständnis für die Athener Position, denn die Sparauflagen seien inzwischen der »Hauptgrund dafür, dass Griechenland noch tiefer in die Verarmung gestürzt und keine Besserung in Sicht« sei.
Der CSU-Wirtschaftspolitiker Hans Michelbach forderte einen sofortigen Stopp aller EU-Zahlungen an Griechenland. Auch müsse die Europäische Zentralbank »Athen endgültig den Geldhahn zuzudrehen.«
Das Thema könnte schon an diesem Mittwoch akut werden: Dann tagt der EZB-Rat, der sich auch mit dem Notfallprogramm für griechische Banken und Staatsanleihen im Umfang von 65 Milliarden Euro befassen dürfte. Ohne die Geldspritze der Athener Notenbank wäre der griechische Staat rasch zahlungsunfähig.
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