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Einmal Schurke, immer Schurke

Sudan steht inzwischen für Stabilität in einer Krisenregion - die Anerkennung bleibt aus

Sudan hat die Sezession von Südsudan 2011 akzeptiert und die Lage in der Unruheregion Darfur hat sich stabilisiert. Dafür in Aussicht gestellte Sanktionslockerungen blieben aus. Das sorgt für Unmut.

Es ist still geworden um Darfur. Selten nur dringen noch Nachrichten aus der fünf Bundesstaaten umfassenden Region im Westen Sudans bis in die westlichen Medien. Das war mal anders: Nach dem Beginn kriegerischer Auseinandersetzungen im Frühjahr 2003 beschäftigte Darfur jahrelang die Weltöffentlichkeit bis hin zum UNO-Sicherheitsrat und dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag. 2009 wurde als erster Staatschef überhaupt Sudans Präsident Omar Hassan al-Baschir vom 2002 neu geschaffenen IStGH angeklagt: wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit in Darfur. Nur der Vorwurf des Völkermords wurde in der Anklageschrift ausgespart. Auf mindestens 300 000 Tote beziffert die UNO die Opfer, die Regierung von Sudan spricht von 10 000. Baschir ist noch immer auf freiem Fuß - wenn auch reisetechnisch eingeschränkt - und noch immer Präsident Sudans. Er stellt sich Mitte April sogar zur Wiederwahl. Sonst aber hat sich viel in Sudan verändert.

Wenn noch vereinzelt Nachrichten aus Darfur den Westen erreichen, dann negative: Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch veröffentlichte im Februar einen Bericht, wonach es bei einem Angriff der sudanesischen Armee im Oktober 2014 auf das Dorf Tabit in Nord-Darfur zu Massenvergewaltigungen von etwa 200 Frauen und Mädchen gekommen wäre. Sudans Informationsminister Ahmed Bilal hält das für eine »große Lüge«, die sich in das Bild der »unfairen Berichterstattung über Sudan« einfüge, die er den westlichen Medien überwiegend unterstellt. Nicht zuletzt, um dieses Bild zu korrigieren, wurde eine handverlesene Gruppe deutscher Journalisten von »FAZ« über »Zeit«, »Berliner Zeitung« bis »neues deutschland« Mitte Februar für eine Woche eingeladen. Es steht Aussage gegen Aussage, wobei Bilal sich auf einen Bericht der UN-Friedensmission in Darfur (UNAMID) beruft, die vor Ort nachgeforscht und keinen Hinweis auf auch nur einen Vergewaltigungsfall gefunden hätte. Das ist richtig, aber auch dass UNAMID einräumen musste, »dass die geballte Präsenz von Militär und Polizei in Tabit eine abschließende Untersuchung erschwert«. Damit die UNAMID dies nachholen könne, müsse ihr »der uneingeschränkte Zugang« in die Stadt ermöglicht werden, so der Sprecher des UN-Generalsekretärs Stéphane Dujarric im vergangenen November. Die abschließende Untersuchung ist bis heute noch nicht erfolgt.

Tabit stand nicht auf der Reiseroute; Al-Fascher, die Hauptstadt von Darfurs Nordprovinz, schon. Die UNAMID besitzt dort wie auch in Khartum ein eigenes Flughafenareal und auch wenn man dieses verlässt, bleibt die UNAMID in der Stadt ihres Hauptquartiers präsent. Auf den Straßen um und in Al-Fascher und in den Flüchtlingslagern: UNAMID-Fahrzeuge bis hin zu Schützenpanzern, patrouillierende oder Wache stehende UNAMID-Soldaten sind aus dem Alltagsbild in Al-Fascher nicht wegzudenken. Dabei läuft das UNAMID-Mandat Ende Juni aus. Ob die Mission beendet wird oder in abgespeckter Form weitergeht, steht noch in den Sternen. Die Regierung in Khartum hatte UNAMID widerstrebend akzeptiert, Freundschaft ist daraus nicht geworden. 1,5 Milliarden US-Dollar kostet die seit Oktober 2007 laufende Mission pro Jahr. Die Einsatzstärke der Mission umfasst rund 15 000 Soldaten. Hinzu kommen über 300 Militärbeobachter und etwa 4500 Polizisten sowie an die 4000 zivile Mitarbeiter. Die Regierung vertritt die Auffassung, dass 1,5 Milliarden US-Dollar, entsprechend in Entwicklung investiert, reichen würden, um Darfurs Probleme ein für alle Mal beizulegen. Deswegen schwebt Khartum vor, dass die UNAMID-Mission geschrumpft wird und statt Sicherheit künftig Entwicklungsprojekte den Fokus bilden.

Ein Problem in Darfur ist knapper werdendes fruchtbares Land, das auf eine wachsende Bevölkerung trifft, auch wenn acht Millionen Menschen auf einer Fläche vergleichbar mit der Frankreichs wenig erscheinen. Um dieses Land rivalisieren arabischstämmige Nomaden und afrikanischstämmige sesshafte Bauern - eine der sich überlagernden, vielen Konfliktlinien. 13 Ethnien leben in Darfur, die größten sind die der Region ihren Namen gebenden Fur, die Massalit und die Zaghawa, die auch im benachbarten Tschad zahlreich vertreten sind und mit Idriss Déby dort gar den Präsidenten stellen. Eine kaum überschaubare Zahl von Milizen und Rebellengruppen, die mal gegeneinander, mal zusammen gegen die Regierungstruppen und die von ihr unterstützten arabischen Dschandschawid-Milizen kämpfen, machten und machen das Leben in der Fläche vielerorts unmöglich. Noch immer wird in bestimmten Gebieten gekämpft und die sudanesische Armee mischt kräftig mit. Menschenrechtsverletzungen auf allen Seiten sind verbrieft.

Der Höhepunkt des Konflikts scheint seit dem im März 2012 zwischen der Regierung und einem Teil der Rebellengruppen unterzeichneten Doha-Dokument für Frieden in Darfur (DDPF) überschritten. Ein Rahmenabkommen der Mission UNAMID zum Darfur-Friedensprozess soll die Umsetzung des Doha-Dokuments unterstützen, die Rebellengruppen, die das Doha Dokument nicht unterzeichnet haben, einbeziehen und die Zivilgesellschaft in Darfur am Friedensprozess beteiligen.

Ob alles oder fast alles unter Kontrolle ist, wie Vertreter der Provinzregierung Nord-Darfur unisono versichern, lässt sich in Al-Fascher nicht überprüfen. Al-Fascher selbst wirkt Mitte Februar entspannt und das war nicht immer so, denn hier nahm 2003 der Aufstand in Darfur seinen Ausgang. Auf 2,7 Millionen Menschen beziffert die UNO die Zahl der seitdem intern Vertriebenen und 2 Millionen davon sind immer noch fern ihrer Heimatdörfer. Allein im Flüchtlingslager Abu Shouk in Al-Fascher leben derzeit 42 000 - quasi ein ganzer Stadtteil. Zuständiger Koordinator ist Ibrahim al-Khalil. Fünf Dienstleistungen würden den Flüchtlingen geboten: Bildung, Wasser, Gesundheit, Ernährung und Sicherheit. Laut Khalil ließen sich die Flüchtlinge grob in zwei Gruppen aufteilen, solche, die in ihre Dörfer zurückkehren wollen, und diejenigen, die in Al-Fascher sesshaft werden möchten. Immerhin ist der Zugang zu Bildung, Wasser und Gesundheit auf dem Land in Darfur bestenfalls eingeschränkt vorhanden, die fünf US-Dollar pro Monat für Ernährung werden sicher nicht reichen, sind aber ein willkommener Zuschuss und Sicherheit ist angesichts vielfacher Gewalttraumata ein unschätzbares Gut. Ahmed Atem hat so eine Erfahrung: »Mein Heimatdorf wurde total zerstört.« Er hat es zu einer Art Bürgermeister in Abu Shouk gebracht. Seine Aufgabe sei es, zwischen UNAMID und Stammesführern zu vermitteln, sagt er. Er sieht seine Zukunft in Al-Fascher.

Dass es sich bei Abu Shouk um ein Flüchtlingslager handelt, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Es existiert seit 2004 und die Zelte sind längst befestigten Häusern gewichen, es gibt einen Markt, der alles Lebensnotwendige feilbietet und darüber hinaus allerlei Angebot offeriert. Allerdings sind Klagen über gestiegene Preise zu hören, Inflation ist im gesamten Sudan ein Kümmernis für die Bewohner, 2013 betrug sie 40 Prozent, vergangenes Jahr 20 bis 25 Prozent und für Menschen, die von der Hand in den Mund leben, macht das erfahrungsgemäß den Überlebenskampf schwerer kalkulierbar.

Offensichtliche Not ist freilich nicht zu sehen, das Marktleben geht seinen beschaulichen Gang, die Leute grüßen freundlich, Besucher sind sie gewohnt, Abu Shouk ist ein Vorzeigelager.

Sudans Regierung sieht sich auf gutem Weg: Darfur weitgehend befriedet, Südsudan friedlich in die Unabhängigkeit entlassen. Bekommen hat Khartum dafür nichts, wobei im Zusammenhang mit dem 2005 abgeschlossenen Umfassenden Friedensabkommen (CPA) immer wieder versichert wurde, dass bei Umsetzung des bis 2011 reichenden Übergangsabkommens Sudan mit Sanktionslockerungen und Zugang zu multilateralen Krediten zum Beispiel vom Internationalen Währungsfonds (IWF) rechnen könnte.

2011 hielt Südsudan sein Unabhängigkeitsreferendum ab, im Juni 2011 wurde das Land zum bis dato jüngsten Staat Afrikas, seit 2013 entzweit ein Bürgerkrieg entlang der ethnischen Linie Dinka versus Nuer das Land mit unabsehbaren Folgen. Der Norden versucht zwischen dem Präsidenten Salva Kiir (Dinka) und seinem einstigen Vize Riek Machar (Nuer) zu vermitteln, hilft bei der Flüchtlingsversorgung und müht sich auch in anderen regionalen Konflikten um Schlichtung: zum Beispiel zwischen Äthiopien und Ägypten rund um den Mega Staudamm Grand Renaissance, mit dem Addis Abeba zum großen Entwicklungssprung ansetzen will, während Kairo fürchtet, damit lebenswichtiges Nilwasser abgegraben zu bekommen. Auch in Libyen versucht Khartum zwischen den beiden sich bekämpfenden Regierungen in Tobruk und Tripolis zu vermitteln. Auf eine Anerkennung seitens der USA wartet Khartum bisher vergebens, auch wenn die beiden jüngsten Reisen von Außenminister Ali Karti und Vizepräsident Ibrahim Gandur im Februar zeigen, dass wieder mehr miteinander geredet wird. Auf der Liste der Schurkenstaaten bleibt das Land in Washington vorerst dennoch.

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