Peinlich berührt und verplappert

Daniel Lücking über erneute Erinnerungslücken im NSA-Untersuchungsausschuss

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie tat ein wenig Leid – eine Kollegin aus dem Bereich der öffentlich-rechtlichen Medien, die offenbar die Idee umsetzen musste, jeden, aber auch wirklich jeden Parlamentarier auf die Wasserhähne der BND-Zentrale anzusprechen.

Parlamentarier wie Journalistenkollegen reagierten mitleidig bis genervt. Zum Wasserschaden war schon am ersten Tag der Meldung alles gesagt und mit dem aufgespannten WLAN-Hotspot, der den Namen »BND-Wasserhähne zu verticken« trug, war auch der letzte Kalauer abgearbeitet.

Ebenfalls nur noch eine Randnotiz: die Versand- und Telekomunikationsherausforderungen des Ausschussvorsitzenden Patrick Sensburg oder eine aufspringende Zuschauerin, die eine Aussage machen wollte, weil sie selbst überwacht würde.

Verplappert

Zur Sitzung am 05. März war erneut ein Zeuge mit Militär und BND-Vergangenheit geladen. Der mittlerweile pensionierte Herr U. war als Unterabteilungsleiter und als Abteilungsleiter eingesetzt. Neben all dem Bürokram, den er dort zu erledigen hatte, fand er dann auch die Zeit, einen Blick auf Operationen, wie Eikonal oder Glotaic zu werfen, bei denen es um mögliche Grundrechtseingriffe und Verletzungen des G10-Gesetzes gehen konnte.

Dieser BND-Zeuge wurde offenbar noch gerade rechtzeitig gehört – die Erinnerungslücken, die in den letzten zehn Jahren entstanden sind, dürften bei weiterem Fortschreiten zum Totalverlust des Gedächtnisses führen.

Eine wesentliche Erinnerungslücke schien jedoch der Ausschussarbeit zu Gute zu kommen. Der Zeuge bestätigte, dass unter den Auswahlkriterien, welche Inhalte abgegriffen und ausgewertet werden sollten, auch Selektoren wie »EADS«, Eurocopter oder französische Behörden durch die Amerikaner gesetzt worden seien. Andere BND-Zeugen waren peinlichst darauf bedacht, Selektoren allenfalls »nichtöffentlich« zu thematisieren.

Im Klartext: die Masse der eingesetzten Auswahlkriterien wurde nicht rechtzeitig durch den BND überblickt und die nachteilige Verwendung erst zu spät erkannt. Ob der Dienst dann wirklich wegen einer möglichen Verletzung des G10-Gesetzes den Stecker der Kooperation gezogen hat oder weil sich die Erkenntnisse ergaben, dass man sich selbst bespitzelte, dürfte sich nur in nicht-öffentlicher Sitzung klären lassen.

Interessant war auch die Frage, warum der »Schwachstellenbericht« zu einem Zeitpunkt entstanden ist, an dem längst klar war, dass die gewünschten Effekte der teuren Operation Eikonal ausblieben und den fordernden Partnerdienst nicht zufrieden stellten.

Mit Hilfe welcher Programme all das geschah, konnte der Zeuge nicht sagen. Im Nebel seiner Erinnerungen waren es andere Programme. XKeyScore war ihm unbekannt. Mit welcher Software Momentaufnahmen vom Datenstrom, sogenannte Snapshots, gemacht wurden, entzog sich ebenso seiner Kenntnis wie der Verbleib der Datenstichproben.

Die Interventionen von der Kanzleramtsbank »Bitte dazu nur in nicht-öffentlicher Sitzung« kamen immer dann, wenn die Operation Glotaic angesprochen werden sollte. Business as usual.

Menschliches Versagen ?

Und da waren dann noch die 136 Akten, die der BND nun doch noch dem Ausschuss zur Verfügung stellen muss. Wer hier gerade die Oberhand hat oder versucht, die Oberhand zu gewinnen, ist nicht eindeutig zu bestimmen.

Sind es die Parlamentarier, die nun endlich fehlendes Material zur Verfügung gestellt bekommen oder ist es der BND, der das Fortschreiten in andere Themengebiete mit dem neuen Aktenbestand vorerst verzögert ? Die Ausschussarbeit der letzten Monate bedarf nun der Überprüfung. Die weitere Arbeit an Themen, wie die Verstrickungen mit dem britischen GCHQ dürften sich damit zunächst einmal verlangsamen.

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