Wo ist der Schalter für die Freude?
Schwangerschaft und Geburt können bei Müttern zu Depressionen führen
»Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass ich bald für ein Baby sorgen soll. Ich wollte doch eine glückliche Mama sein, jetzt habe ich Angst davor«, schreibt die schwangere Katja in einem Internetforum. Eine andere Schwangere schildert, wie sehr sie sich bis zum sechsten Monat auf das Kind gefreut habe. »Jetzt leide ich unter Panikattacken und kann mir nicht vorstellen, je wieder glücklich zu sein.« Aber genau dieses Glücklich-Sein wird von Eltern und Schwiegereltern, Kolleginnen und Kollegen erwartet. Viele Schwangere schämen sich, wenn sie der Erwartung nicht entsprechen.
Unter anderem deshalb werden Schwangerschaftsdepressionen, die bei 10 bis 20 Prozent der Frauen auftreten, oft nicht oder sehr spät erkannt oder als hormonell bedingte Stimmungsschwankungen abgetan. Viele Beschwerden wie starke Müdigkeit, Schlafstörungen bis hin zu Selbstzweifeln sind für Schwangere nicht ungewöhnlich. Aber gerade weil die Diagnose nicht offensichtlich ist, braucht es fachärztlichen Rat. Nur so lässt sich eine Depression ausschließen oder erkennen und behandeln.
»Die Depression wird in der Regel durch das Zusammenspiel genetischer, psychosozialer und hormoneller Faktoren ausgelöst«, sagt Anette Kersting von der Universität Leipzig. Eine schwierige Lebenssituation, Probleme in der Partnerschaft und familiäre Vorbelastung erhöhen das Risiko, an Depressionen zu erkranken. Behandelt wird mit Psychotherapie und Bewegung, auf Psychopharmaka wird mit Rücksicht auf das ungeborene Kind möglichst verzichtet.
Auch nach der Geburt kann die Krankheit auftreten. Man spricht dann von einer Postpartalen Depression, die bis zu zwei Jahre nach der Geburt ausbrechen kann. »Mein Baby schreit viel, scheint niemals richtig satt zu werden. Es ist ein fremdes Wesen, das ich nicht verstehe und das mich nicht versteht. Ich frage mich ständig, was ich falsch mache, reagiere zugleich aggressiv auf diverse Ratschläge. Meine Gefühle für meinen Mann haben sich sehr verändert, ich mag keine Berührungen mehr. Wie soll das enden?«, fragt Conny im Internetforum verzweifelt. Die Postpartale Depression - nicht zu verwechseln mit dem weit verbreiteten nur wenige Tage anhaltenden »baby blues« - ist eine monatelange Stimmungslabilität. Risikofaktoren sind frühere psychische Erkrankungen, traumatische Erfahrungen, aber auch übertriebene Erwartungen an sich selbst.
Die Gefühle der Mutter gegenüber dem Kind sind von Entfremdung und Distanz bestimmt. Die Ohnmacht gegenüber den gleichgültigen Gefühlen und die Antriebslosigkeit erleben Mütter als sehr bedrückend. Frauen mit einer Postpartalen Depression sind erschöpft, reizbar und haben das Gefühl, der Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Tatsächlich sinkt ihre Leistungsfähigkeit und mündet nicht selten in Bergen von schmutzigem Geschirr und unerledigter Wäsche. Die Frauen brauchen professionelle Hilfe, nicht nur wegen der Symptome, sondern auch wegen der erhöhten Selbstmordgefahr und dem Risiko, dass sich der Kontakt zwischen Mutter und Kind nicht normal entwickeln kann.
Hilfe kann fallbezogen in therapeutischen Maßnahmen wie einer Mutter-Kind-Spieltherapie und Psychotherapie, eventuell in Kombination mit Antidepressiva - gegebenenfalls auch vorübergehend in einer Klinik - bestehen. Unterstützung durch Partner und Familie kann die Genesung unterstützen. Eine zeitweilige Trennung des Babys von der Mutter sehen Fachleute dagegen kritisch. Spezialambulanzen helfen, den optimalen Behandlungsweg zu ermitteln.
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