Die späte Premiere des »Kauz im Darß«

Ostseeort Prerow erinnert an Albert Schaefer-Ast

  • Harald Kretzschmar
  • Lesedauer: 4 Min.

Das lauschig unter großen Bäumen im Ortszentrum von Prerow gelegene Darßmuseum war zunächst der ortstypischen Tradition von Fischfang und Schifffahrt verpflichtet. Seit der Entdeckung als attraktiver Ostseebadeort und der wachsenden Ansiedlung von Künstlern wurde aus der traditionell geprägten Heimatstube ein musisch orientierter Sammelpunkt. Die angenehm empfundene Berührung von Natur und Kunst zu erholsamer geistiger Ausstrahlung findet hier nun seit Jahrzehnten ein Dach. Da ist es kein Zufall, wenn die rührige Direktorin Antje Hückstädt immer wieder Namen wie Theodor Schultze-Jasmer, Albert Schaefer-Ast oder Gerhard Vontra mit grafischen Meisterwerken sichtbar macht.

Der 125. Geburtstag von Schaefer-Ast am 7. Januar war da ein willkommener Anlass, auf neue Weise an den seiner skurril-heiteren Originalität wegen besonders beliebten Künstler zu erinnern. Das geschieht nun mit einer kleinen Ausstellung und der Publizierung einer als besonderes Kuriosum geltenden Bildgeschichte. Der aus dem rheinisch-westfälischen Barmen stammende und hochkultivierte Meister hatte bereits in den 1930er Jahren in Prerow Urlaub gemacht. Im Berlin der 1920er Jahre war er im dazumal blühenden Genre der Pressezeichnerei und als Berater mehrerer Verlage mit einigen Einkünften gesegnet. Als er 1939 am Rand einer Prerower Waldwiese eine alte Fischerkate erwarb und allmählich zum wohnlichen Atelier ausbaute, war noch nicht abzusehen, dass das für Jahre sein Domizil werden würde. Der Bombenverlust der Berliner Behausung bewirkte das schließlich.

Nun stellt sich immer mehr heraus, wie reich die zeichnerische Ernte war, die er da einfahren konnte. Ein ganzes Buch zum »Ablauf des Jahres« hat er gezeichnet. Sofort nach dem Krieg wurde es publiziert. Naturbeobachtung und Geschichtenerzählung gehen da Hand in Hand. Dass aber 1943 auch eine kleine Bildgeschichte ganz in der Tradition von Wilhelm Busch über den »Kauz im Darß« entstand, ist ein Glücksumstand. Zunächst bloß zum Privatvergnügen als Geschenk für eine junge weibliche Ferienbekanntschaft ausgedacht, wurden die 42 Seiten von der Liebesromanze des Kauz mit dem Rotkehlchen doch ein Meisterwerk, das sich nicht vor der Öffentlichkeit verstecken muss. Das kleine Oktavheftchen mit den handkolorierten und handschriftlich im Versmaß begleiteten Episoden tauchte erst 1988 aus Privatbesitz wieder auf. Als eng mit dem Astschen Lebenswerk verbundener Zeichner konnte ich es damals für das »Satiricum Greiz« erwerben. Nun gelang es mir, das Darßmuseum zum Druck dieses Bilddokumentes zu bewegen. Außer einer kümmerlich grauen Zeitungsreproduktion in der unmittelbaren Nachkriegszeit hat es bisher nie das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Und wegen seines fragilen Erhaltungszustandes war es auch nie komplett ausstellbar.

Im Prinzip ist die kleine Story schnell erzählt. Einsamer Mäusefänger wird nett begrüßt, man geht baden zu zweit, besucht sich, macht zusammen Musik und erlebt Frosch, Enten, Fuchs, Hund und Katze, bis der traurige Abschied naht. Alles in knappen Strichen und Worten erzählt. Kleine Zugabe: Im Anhang des Bändchens sind noch drei weitere Meister in Skizzen verewigt. Schließlich gingen auch enge Zeichnerfreunde wie der als e.o.plauen mit »Vater und Sohn« berühmt gewordene Erich Ohser oder Carl Sturtzkopf und Gerhard Brinkmann in Prerow ein und aus. In der Hauptstadt obdachlos geworden, verbrachten sie zum Beispiel den Sommer 1943 im schon damals als »Astloch« legendären Refugium. Für Ohser war es vor seinem Gefängnistod im April 1944 der letzte Lichtblick. Die beiden anderen entschwanden mit Kriegsende Richtung Bayern, ehe sich Ende der 1950er Jahre Sturtzkopf nach Ostberlin und Brinkmann nach Kanada veränderten. Ihren Gastgeber entführte bereits im Sommer 1945 der legendäre Prerow-Urlauber Hermann Henselmann nach Weimar, wo beide flugs an der neugegründeten Kunsthochschule Professoren wurden - der eine für Architektur, der andere für Naturstudium. Im September 1951 jedoch erlosch Asts Lebenslicht leider schon.

Das Darßmuseum bewahrt selbst zwar akribisch alles Gezeichnete und Gedruckte des Meisters auf, ist bei der Ausrichtung von Ausstellungen aber auf Leihgaben von fleißigen Privatsammlern angewiesen. Ja, nun sind da also »die Beneidete« und der »Kuhstorch«, der »Vogelnarr« und der »Kindifress« zu bewundern, flankiert von zartesten Naturskizzen rund um »Wollblume« und »Geißblatt«. Wenn im traditionellen Kaminzimmer solche Raritäten an der Wand und in den Vitrinen zu finden sind, dann ist das den guten Beziehungen der Chefin nach manchen Seiten zu danken. Mit einem Förderverein im Rücken hat sie nun die originalgetreue Reproduktion des »Kauz« in einer feierlichen Extrastunde der Öffentlichkeit übergeben.

Was übrigens das Beste an dem Ganzen ist: Die Region Fischland/Darß erfährt neuerdings wieder eine nicht ohne weiteres selbstverständliche Verdichtung kultureller Aktivitäten. Das benachbarte Ahrenshoop glänzt ununterbrochen mit Highlights. Der seit Generationen legendäre blaue Kunstkaten eröffnete just zur gleichen Zeit eine Ausstellung des Lebenswerks der im Juli 90-jährigen Ruth Klatte aus Wieck. Da wird die ganze kleine heile wilde Welt des Meeres, des Strandes und des Waldes in allen möglichen grafischen und malerischen Techniken eingefangen. Und ebenfalls zeitgleich durfte die vom Künstlerehepaar Löber unterhaltene Dornengalerie zur Bewunderung der zauberhaften Aquarelle des 2006 im mecklenburgischen Bolz verstorbenen Rainer Stuchlik einladen.

Alle drei Ausstellungen sind bis weit in die Frühlingswochen erlebbar. Das hier besprochene Hauptevent im Darßmuseum ist bis zum 24. Mai zu sehen.

Im April Mi-So 10-17, im Mai Di- So 10-18 Uhr. Das Büchlein ist zum Preis von 9, 50 € zu haben.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!