Frankreichs »Großes Projekt«

Mit den Olympischen Spielen 2024 in Paris soll die französische Gesellschaft geeint werden – berühmte Sportstätten wären schon vorhanden

Nach Rom, Boston und Hamburg will nun auch Paris die Sommerspiele 2024. Die Franzosen wären nicht zum ersten Mal ein Favorit.

Es scheint kein Zufall, dass Frankreichs Präsident François Hollande in dieser Woche auf Staatsbesuch in der Schweiz unterwegs ist. Erst am Montag hatte der Pariser Stadtrat der Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele 2024 grünes Licht erteilt. Schon drei Tage später wird Hollande am Donnerstag den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, in Lausanne besuchen. Timing ist wichtig bei Olympiabewerbungen. Das wissen die Franzosen allzu gut. Schon für die Austragung der Spiele 2012 war Paris Favorit, bis beim Besuch einer IOC-Kommission gestreikt wurde und sich ein Mitglied des Bewerbungsteams plötzlich auch noch Korruptionsanschuldigungen ausgesetzt sah. Am Ende gewann London.

Bei der Wahl für die Spiele 2024 wird Paris wieder beste Aussichten haben. Nicht zuletzt, weil die letzten Spiele in der französischen Hauptstadt dann genau 100 Jahre zurücklägen. Für ein Land, das den modernen Olympismus geprägt hat wie kaum ein anderes, ist ein so langer Zeitraum ohne Sommerspiele kaum zu akzeptieren.

Also war Bürgermeisterin Anne Hidalgo – wie Hollande von der Sozialistischen Partei – im Februar eine knapp 40-seitige Machbarkeitsstudie überreicht worden. Darin finden sich erste Ideen zu Sportstätten, Bürgerbeteiligung sowie Sinn und Zweck einer Bewerbung. Tenor des Ganzen: Frankreich braucht ganz dringend ein neues »Großes Projekt«. Und Olympia käme da gerade recht.

In einer Zeit der schwächelnden Wirtschaft, einer auseinanderdriftenden Gesellschaft, sozialen Aufständen in den Banlieues bis hin zum Terroranschlag auf Charlie Hebdo biete das Neunjahresprojekt Olympische und Paralympische Spiele die Chance auf neuen Zusammenhalt. Besonders die junge Generation, »die sich als ›Opfer‹ und ›verloren‹ bezeichnet«, könne von Olympia begeistert und in dessen Planung einbezogen werden, so die Autoren

Die Studie schätzt die Kosten auf 3,2 Milliarden Euro für die privat finanzierte Durchführung Olympias und nochmals drei Milliarden (in Mischfinanzierung) für Infrastrukturmaßnahmen, davon 1,7 Milliarden für das Olympische Dorf. David Belliard von den Grünen, die eine Bewerbung ablehnen, traut den Zahlen nicht: »Die Kosten werden unterschätzt«, sagte er im Stadtrat.

Punkten könnte Paris mit vielen bereits existierenden und weltberühmten Sportstätten, in denen seit 2000 30 Welt- und Europameisterschaften stattfanden: Das Stade de France (80 000 Zuschauer fassend) wäre ideal für Leichtathleten und die großen Zeremonien. Nach Wimbledon (2012) bekäme mit Stade Roland Garros auch die Spielstätte der French Open ein olympisches Tennisturnier. Im Prinzenpark würden sich Fußballer tummeln, in der Bercy-Arena die Basketballer. Allein, dass die Straßenradprofis ihr Ziel nicht wie bei der Tour de France auf den Champs-Élysées, sondern vor dem Schloss Versailles haben sollen, verwundert an den Plänen. Aber die können ja noch geändert werden. Schwimmhalle, ein paar kleinere Stadien und Arenen, Medienzentrum und das Olympische Dorf müssten neu gebaut werden, ansonsten ist im Gegensatz zu Hamburg schon so gut wie alles da. Und anders als in Boston steht laut zwei Umfragen auch die lokale Bevölkerung (68 bzw. 76 Prozent Zustimmung) hinter einer Bewerbung. »Wir haben das Fundament eines Gebäudes gesetzt, das wir nun so hoch wie möglich bauen wollen. Wir glauben, dass das Olympische Projekt Frankreich und den Franzosen sehr nützen wird«, sagt Denis Masseglia, Präsident des französischen NOK, der nun international für Paris werben will. Natürlich ist er Teil des Trosses von François Hollande am Sitz des IOC.

In den kommenden Monaten wird Masseglia bei seinen Aktivitäten oft seinen deutschen Amtskollegen Alfons Hörmann über den Weg laufen. Der DOSB-Präsident hatte seinerseits am Montag angekündigt, die Hamburger Bewerbung zunächst bei einer Sportmesse in Sotschi den Mitgliedern des IOC schmackhaft zu machen und später bei den Europaspielen in Baku. Bei der immer größer werdenden Konkurrenz wird er eine Menge Hände schütteln müssen.

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