»Lärmpausen« statt Nachtruhe

Hessens Regierung startet Modellversuch am Fraport - Kritiker sprechen von Augenwischerei

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Einige Anrainerkommunen des Fraports können ab Donnerstag auf eine Stunde mehr Nachtruhe hoffen, für andere dürfte es sogar lauter werden. Bürgerinitiativen sehen das Modell als Mogelpackung.

Wiesbaden. Nach langem Tauziehen beginnt an diesem Donnerstag am Frankfurter Großflughafen Rhein-Main eine einjährige Testphase für siebenstündige »Lärmpausen«. Kritiker und Bürgerinitiativen lärmgeplagter Anwohner aus der Region halten diesen Probebetrieb für überflüssig und fordern nach wie vor die Ausdehnung des bestehenden Nachtflugverbots von 23 bis 5 Uhr um zwei Stunden auf den Zeitraum von 22 bis 6 Uhr.

Über den Modellversuch hatten sich Hessens schwarz-grüne Landesregierung, die Deutsche Flugsicherung (DFS), der Flughafenbetreiber Fraport, Lufthansa und Luftverkehrsverbände in einer Absichtserklärung verständigt, die rechtlich allerdings nicht bindend ist. Von ihrer noch im Wahlkampf 2013 lautstark erhobenen Forderung nach achtstündigem Nachflugverbot und Ausbaustopp waren die hessischen Grünen bereits mit der Unterzeichnung des schwarz-grünen Koalitionsvertrag Ende 2013 abgerückt.

Die Grünen vereinbarten damals mit dem neuen Partner CDU »im Interesse der Akzeptanz der weiteren ökonomischen Entwicklung des Flughafens« die Einführung regelmäßiger »Lärmpausen von sieben Stunden in der Nacht« und insbesondere »Entlastungen in den Stunden von 22 bis 23 Uhr und 5 bis 6 Uhr«. Dies solle gemeinsam mit dem Flughafenbetreiber Fraport und der Deutschen Flugsicherung durch den abwechselnden Verzicht auf die Nutzung einzelner Start- und Landebahnen in diesen Zeiträumen realisiert werden, so hieß es in dem Papier.

Für die Realisierung der »Lärmpausen« hatte das Wirtschafts- und Verkehrsministerium des Landes - Chef ist der Grünen-Spitzenmann Tarek Al-Wazir - seit Anfang 2014 fünf Modelle durchgespielt, die in der Fluglärmkommission Frankfurt jedoch auf wenig Gegenliebe stießen. Diese Kommission ist ein Gremium zur rechtlich nicht bindenden Beratung des Wirtschaftsministeriums, der Flugsicherung und des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung in Fragen von Flugrouten und Lärmschutz. Ihr gehören vor allem Vertreter von Kommunen im Rhein-Main-Gebiet, Bürgerinitiativen, Fraport und Lufthansa an.

Erprobt wird ab diesem Donnerstag nun die Modellvariante Nr. 4. Demnach sei bei Westwindbedingungen »die Anzahl derjenigen, die eine Lärmpause erhalten, deutlich größer als die Zahl der Fluglärmbetroffenen, deren Lärmpausenzeiten eingeschränkt werden«, heißt es in einer Stellungnahme der Kommission. Faktisch sieht dies so aus, dass Anwohner im dicht besiedelten Frankfurter Süden etwas entlastet werden, während ein wenige Kilometer südlich gelegener Korridor von Hanau über den Offenbacher Süden bis zur Flughafenanrainerstadt Neu-Isenburg mehr Fluglärm abbekommt.

Das regionale Bündnis der über 80 lokalen Bürgerinitiativen gegen den Fluglärm möchte sich durch das Modell aber nicht spalten lassen und lehnt den Probelauf als »untauglich« und »Augenwischerei« ab. Der Lärm werde nur verschoben, aber nicht vermindert, so ihr Sprecher Thomas Scheffler gegenüber »nd«. Unter dem Strich gebe es keine Verbesserung. »Wenn es für die einen mal kurzzeitig leiser wird, wird es anderswo umso lauter«, meint auch die hessische Linksfraktionschefin Janine Wissler. Selbst der Minister räume ein, dass es vom Wetter und anderen Faktoren abhänge, ob die »Lärmpausen« eingehalten werden könnten. »Wind ist bekanntlich nicht planbar«, so Wissler.

Die Linksfraktionen im Bund und in Hessen argumentieren seit Jahren, dass eine drastische Verringerung des Fluglärms durch eine rasche Verlagerung von Transportbewegungen auf die Schiene möglich sei. So steuern 50 Prozent der Flüge ab Rhein-Main europäische Ziele in einer Entfernung von bis zu 1000 Kilometern an. Eine bessere Kooperation mit der Deutschen Bahn und ein Ausbau ihrer Fernverkehrsangebote könnten hier rasch Abhilfe schaffen. Scheffler erinnerte daran, dass sich auch frühere Prognosen der Flughafenausbaubefürworter vom »Jobmotor« Fraport als falsch erwiesen hätten: »Die Zahl der Arbeitsplätze stagniert.«

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