Internationale Hilfe erreicht Nepal
Erdbeben fordert über 2000 Opfer / Dramatische Notlage vor Ort: Kaum noch Nahrungsmittel und Wasser / Hilfsorganisationen rufen zu spenden auf / Nepal am schlimmsten betroffen / Internationale Hilfe läuft an / Tote auch in Indien, Bangladesch und China
Update 16.30 Uhr: Nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal ist eine internationale Hilfsaktion für die Opfer angelaufen. Aus Deutschland brachen am Sonntagmittag 52 Experten für die Bergung von Verschütteten auf, China entsandte 62 Spezialisten mit Spürhunden nach Nepal. Während Rettungskräfte weiter mit allen Mitteln unter den Trümmern nach Überlebenden suchten und die Opferzahl auf mehr als 2300 stieg, erschütterte ein starkes Nachbeben die Himalaya-Region.
Die auf die Bergung von Erdbebenopfern spezialisierte Hilfsorganisation I.S.A.R. Germany schickte von Frankfurt am Main 52 Bergungsexperten, Ärzte, Sanitäter und Suchhunde auf einem Sonderflug Richtung Nepal. Die christliche Hilfsorganisation Malteser International entsandte ein Erkundungsteam, um sich ein Bild von der Lage zu schaffen. Auch Caritas startete einen Nothilfeeinsatz, während Care Experten nach Nepal schickte, um ihre 150 Mitarbeiter vor Ort zu unterstützen.
Das Deutsche Rote Kreuz kündigte an, am Montagabend von Berlin ein Flugzeug mit 60 Tonnen Zelten, Decken, Hygienepaketen und anderen Hilfsgütern nach Nepal zu schicken. Der vom Auswärtigen Amt finanzierte Flug soll auch eine Trinkwasseraufbereitungsanlage transportieren. Das Auswärtige Amt erklärte, es bemühe sich um Aufklärung über den Verbleib deutscher Bürger in Nepal, doch handele es sich vielfach um Individualreisende, die sich weder an- noch abmeldeten.
Die US-Hilfsorganisation USAID schickte Rettungskräfte los und sagte Million Dollar zu. Neuseeland und Australien stellten zusammen mehr als 4,5 Millionen Dollar bereit. Indien flog mit zwei Militärflugzeugen eigene Bürger aus, während Pakistan einen Flug mit Hilfsgütern losschickte. Die Rettungsbemühungen in Nepal wurden aber durch mehrere starke Nachbeben sowie die Schäden an Straßen, Stromleitungen und dem Telefonnetz behindert.
»Wir haben alle unsere Such- und Rettungsressourcen mobilisiert«, sagte der nepalesische Polizeisprecher Kamal Singh Bam. Hubschrauber seien in entlegene Gebiete geschickt worden, Einsatzkräfte würden auf der Suche nach Überlebenden durch die Trümmer graben. Das Rote Kreuz äußerte sich besorgt über das Schicksal der Dörfer in der Nähe des Epizentrums des Bebens rund 80 Kilometer nordwestlich von Kathmandu.
Update 8.40 Uhr: Die Zahl der Opfer bei dem schweren Erdbeben in der Himalaya-Region ist in Nepal auf über 2000 angestiegen. Das meldet die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf offizielle Stellen.
Wie am Sonntag bekannt wurde, ist auch die deutsche Botschaft in Kathmandu beschädigt worden. Nach Angaben des Auswärtiges Amtes ist die Vertretung derzeit nur beschränkt einsatzfähig. Die Bundesregierung rät Touristen von Touren in die Erdbebengebiete zunächst ab. Gebäude und Infrastruktur in der Hauptstadt seien schwer beschädigt worden, heißt es in den aktuellen Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes. Stromversorgung und Telefonnetze seine weitgehend zum Erliegen gekommen. Der internationale Flughafen von Kathmandu sei derzeit nur für Hilfsflüge geöffnet. »Reisenden in Nepal wird geraten, einsturzgefährdete Gebäude zu meiden und Kontakt mit ihrem Reiseveranstalter sowie ihren Angehörigen aufzunehmen«, heißt es in den Hinweisen.
Dramatische Notlage vor Ort: Kaum noch Nahrungsmittel und Wasser
Berlin. Nach dem schweren Erdbeben in der Himalaya-Region ist die Zahl der Todesopfer allein in Nepal auf mehr als 1800 gestiegen. Tausende Menschen wurden nach offiziellen Angaben bei der Naturkatastrophe verletzt. Es wird befürchtet, dass die Zahl der Toten weiter steigen wird. Die Lage vor Ort ist dramatisch. Augenzeugen berichten, vielfach hätten die Menschen nur noch Kekse und Trockenfrüchte übrig. Hilfsorganisationen fürchten, dass bald auch das Wasser ausgeht. Auch die Ärzte sind an vielen Orten bereits überlastet. »Unter den Toten sind viele Kinder«, sagte Doktor Pratab Narayan aus dem Teaching-Krankenhaus. »Wir sind völlig überwältigt von der Zahl an Menschen.«
Wie die Regierung in Kathmandu am Sonntag mitteilte, wurden inzwischen 1805 Tote sowie mindestens 4718 Verletzte registriert. Das Beben der Stärke 7,8 hatte den Himalaya-Staat und Teile Indiens am Samstag erschüttert und schwere Zerstörungen angerichtet. Die Erdstöße dauerten zwischen einer halben und zwei Minuten. Auch aus Nordindien wurden Dutzende Opfer gemeldet. Zwei weitere Tote gab es laut der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua in Tibet. In Bangladesch starben ebenfalls Menschen, als ihre Häuser über ihnen zusammenfielen.
Die meisten Menschen in Nepals Hauptstadt Kathmandu verbrachten die Nacht im Freien, bei leichtem Nieselregen - darunter auch Verletzte, die in den überfüllten Krankenhäusern keinen Platz mehr fanden. Tausende haben ihre Häuser verloren oder fürchten sich, in die Gebäude zurückzukehren. Laut Augenzeugen bebt die Erde noch immer - zuletzt um 5 Uhr Ortszeit, als ein starkes Nachbeben viele aus dem Schlaf riss. Selbst der Präsident Ram Baran Yadaf habe in einem Zelt geschlafen, sagte sein Sprecher in einem lokalen Radio.
Fast nirgendwo in Kathmandu gibt es Strom, manche Menschen helfen sich mit Solarlampen. »Wir laden unsere Handys an Autobatterien auf«, sagte Alina Shrestha von World Vision, die selbst betroffen ist. Etwa 30 Nachbarn hätten die Nacht in Zelten in ihrem Hof verbracht. Sie höre Helikopter, aber Soldaten oder Polizisten habe sie in ihrem Stadtviertel noch nicht gesehen.
Wie es in vielen abgelegenen Städte und Dörfern in dem Himalaya-Land aussieht, ist noch kaum zu überblicken. Das Dorf Barmak, unter dem das Epizentrum des Bebens lag, sei fast vollständig zerstört, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. »Ich habe meine Angehörigen und alle meine Nachbarn verloren«, sagte eine Frau auf Jaybageshwari einem örtlichen Radiosender. »Kann jemand, der überlebt hat, uns helfen? Wir haben weder Essen noch Kleidung. Alles ist weg.«
Nepal hat den Notstand in den betroffenen Gebieten ausgerufen. Schulen und Universitäten bleiben für eine Woche geschlossen. Die Stromversorgung könnte lange ausfallen, da das Erdbeben die Wasserkraftwerke beschädigt hat, von denen Nepal fast all seinen Strom bezieht.
Derweil wurde weltweit Hilfe auf den Weg gebracht. Indien hat mehrere Flugzeuge mit Hilfsgütern wie Nahrungsmitteln, Wasser und Kommunikationsgeräten geschickt. Unterstützung sagten unter anderen die USA und die EU zu. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sicherte Hilfe zu. Ähnlich äußerten sich Chinas Präsident Xi Jinping und seine Kollegen aus Frankreich und Russland, François Hollande und Wladimir Putin. Auch aus Deutschland haben sich Helfer auf den Weg gemacht, darunter ein Team des Bundesverbands Rettungshunde.
Hilfsorganisationen riefen die Menschen in Deutschland zum Spenden auf. Care etwa plant, bis zu 75.000 Menschen mit Notunterkünften, Nahrungsmitteln, Wasserreinigungstabletten und dem Bau von Latrinen zu unterstützen. Das Deutsche Medikamentenhilfswerk action medeor packt Verbands- und Nahtmaterialien, chirurgisches Besteck, Schmerzmittel, Antibiotika und Spritzen für seine Partner.
Die internationalen Caritasverbände arbeiten bereits vor Ort - und berichten von großen Problemen. »Der Zugang zu Erdbebenopfern ist vielerorts noch nicht möglich, weil die Straßen blockiert sind. Die Kommunikation ist aufgrund des Stromausfalls schwierig«, erklärte der Direktor der Caritas Nepal, Pius Perumana. Ein deutscher Mitarbeiter werde bald das lokale Katastrophen-Team verstärken. Auch die Organisation Help - Hilfe zur Selbsthilfe wird zwei erfahrene Helfer schicken.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) steht für eine schnelle Evaluierung des Finanzbedarfs des Landes bereit. Ein Expertenteam könne so schnell wie möglich nach Nepal reisen, um der Regierung bei der Einschätzung der makroökonomischen Lage und ihres Finanzbedarfs zu helfen, erklärte IWF-Chefin Christine Lagarde am Samstag (Ortszeit) in Washington. Derzeit sei der IWF dabei, sich mit der Weltbank, der Asiatischen Entwicklungsbank und anderen Organisationen zu koordinieren, um die Folgen der Katastrophe zu bewerten und festzustellen, wie am besten geholfen werden könne, hieß es in der Mitteilung weiter. Agenturen/nd
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