Keine Gerechtigkeit, kein Frieden
Nordamerikas Linke debattiert auf dem Left Forum über die Krise von Kapitalismus und Demokratie
Das diesjährige Motto der größten Tagung linker Aktivisten in den USA lautet »No Justice, no Peace«. Seit Jahrzehnten ist das ein Kampfruf auf Demonstrationen. Er beschreibt einen Zustand - keine Gerechtigkeit, kein Frieden -, ist aber auch als Warnung zu verstehen: Solange es keine Gerechtigkeit gibt, geben wir keinen Frieden. Diese Doppeldeutigkeit hatten auch die Left-Forum-Organisatoren im Sinn. Die Abwesenheit von Gerechtigkeit und Frieden mache es zwingend notwendig, sich der Krise von Kapitalismus und Demokratie offensiv entgegenzustellen (»Confronting the Crisis of Capitalism and Democracy«).
»Transformative Politik« liege in der Luft, heißt es in der Einladung zur Konferenz, die am John Jay College of Criminal Justice auf der West Side von Manhattan stattfinden wird. Die Großdemonstrationen in den USA gegen Polizeigewalt, maßgeblich organisiert von der »Black Lives Matter«-Bewegung, aber auch der von der Obama-Regierung initiierte Anfang vom Ende der Kuba-Blockade oder neue linke Hoffnungsträger für einen gesellschaftlichen Wandel in Griechenland und Spanien seien Beweis dafür.
In Fortsetzung einer in den 1960er-Jahren begonnen Tradition bringt das Forum Intellektuelle und Aktivisten zusammen, um hier Strategien und Erfahrungen zu erörtern. Im Gegensatz zu den letzten Treffen wird dieses Mal auf prominente Publikumsmagneten wie Noam Chomsky oder Barbara Ehrenreich verzichtet. Im Vordergrund stehen Panels mit internationalen Gästen sowie bewegungsorientierte Arbeitsgruppen und Diskussionen.
Zum Auftakt am Freitagabend werden Vertreter von SYRIZA, PODEMOS, Blockupy und der US-amerikanischen Linken die Möglichkeiten einer Antiausteritätspolitik und entsprechende Bündnisoptionen diskutieren. »Was ist daran revolutionär?«, lautet die vorab gestellte Frage an die Teilnehmer. Aus den mehr als 400 Veranstaltungen, die in den beiden folgenden Tagen stattfinden, stechen mehrere zum Inhalt, zur Organisation und zur Perspektive der »Black Lives Matter«-Bewegung hervor. Nach den Vorfällen in Ferguson, New York und jüngst in Baltimore wächst diese Bewegung weiter. Denn die polizeilichen Übergriffe vor allem in verarmten, von Afroamerikanern bewohnten Vierteln haben keineswegs aufgehört. Erst vor wenigen Tagen wurde ein Polizist, der Dutzende von Schüssen auf ein unbewaffnetes Paar in einem Auto abgefeuert und die beiden umgebracht hatte, freigesprochen.
Auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung, in New York mit einem Büro vertreten, beteiligt sich an mehreren Diskussionsrunden. Dabei geht es neben dem Verhältnis Berlins zu Griechenland auch um die Frage der gewerkschaftlichen Organisierung in Niedriglohnsektoren in den Vereinigten Staaten und in Deutschland. Ein wichtiger Themenbereich ist dabei die relativ erfolgreiche US-amerikanische Kampagne für einen Mindestlohn von 15 Dollar.
Zum Abschluss wird sich am Sonntag eine Podiumsrunde Fragen der Organisation der Linken in den USA widmen. Das alte Problem stellt sich in diesem Jahr neu, nicht zuletzt wegen der Präsidentschaftskandidatur des Vermonter Senators Bernie Sanders. Der Sozialist fordert innerhalb der Demokratischen Partei deren Wunschkandidatin Hillary Clinton heraus. Ob sich die US-amerikanische Linke dort oder anderswo einmischen soll, wird jetzt in New York zur Debatte stehen.
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