Latinos geben die Tonlage vor
Auf EU-Lateinamerika-Gipfel wird Aufhebung der Blockade gegenüber Kuba gefordert
Der »Gemeinsame Standpunkt« der EU gegenüber Kuba steht noch, aber er wankt. Seit 1996 beharrt die inzwischen 28 Mitgliedsstaaten umfassende EU auf ihrer vor allem vom damaligen rechtskonservativen spanischen Premier José María Aznar verfochtenen Position, die einen Systemwechsel in Kuba fordert. Aznar ist längst Geschichte, der »Gemeinsame Standpunkt« noch in Kraft. Zwar ist er in vielen Mitgliedsstaaten umstritten, er kann aber nur im Konsens abgeschafft werden und eine kleine Minderheit von EU-Staaten - unter ihnen Deutschland - stand bisher auf der Bremse. Dass Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Einladung seines kubanischen Amtskollegen Bruno Rodríguez in Brüssel angenommen hat und noch dieses Jahr nach Kuba reisen will, zeigt, dass auch in Berlin ein Umdenken im Gange ist.
Beim zweitägigen Gipfeltreffen der 28 EU-Staaten und der 33 Länder der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) wurde die Bremse gelockert. Die EU und Kuba wollen bis Ende des Jahres ein Rahmenabkommen zu Dialog und Kooperation vereinbaren. Am Montag und Dienstag sollen die Verhandlungen in Brüssel fortgesetzt werden. Wenn die EU in Sachen Kuba substanziell weiterkommen will, muss sie den »Gemeinsamen Standpunkt« preisgeben.
Weit forscher war die EU in Brüssel darin, gemeinsam mit den CELAC-Staaten die USA in ihrer Abschlusserklärung zu neuen Taten aufzurufen. Im Schlusskommuniqué wurde die Mitte Dezember verkündete Annäherung zwischen Washington und Havanna begrüßt. Zugleich riefen die Staaten gemeinsam die USA dazu auf, alle notwendigen Maßnahmen zur raschen Aufhebung der Wirtschaftsblockade gegen den Karibikstaat zu treffen.
Die Staats- und Regierungschefs beklagten die »exzessiven humanitären Auswirkungen« der 1962 von den USA verhängten Blockade »für das kubanische Volk«. Die Blockade würde die »legitime Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Kuba, der Europäischen Union und anderen Ländern« behindern. Es ist durchaus bemerkenswert, dass sich die EU in der Tonlage den lateinamerikanischen und karibischen Staaten angeschlossen hat, die die Kuba-Blockade seit Langem scharf kritisieren und inzwischen auch erreicht haben, dass die von Washington betriebene Suspendierung Kubas in der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wieder aufgehoben wurde. Beim OAS-Gipfel in Panama im April kam es so zu dem historischen Handschlag und einem längeren Gespräch zwischen Kubas Präsident Raúl Castro und Barack Obama, der weit pragmatischer als seine Vorgänger im Weißen Haus die Causa Kuba handhabt.
Einig waren sich die EU und die CELAC auch in Sachen Klima. Die 61 Staaten erklärten, gemeinsam für ein »rechtlich bindendes Klimaabkommen« einzutreten, um die Erderwärmung auf weniger als zwei oder 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Letztere Zahl wurde offenbar auf Drängen der karibischen Staaten aufgenommen, die besonders vom Klimawandel betroffen sind.
Bewegung gibt es nach Jahren der Blockade auch in den Gesprächen zwischen der EU und dem MERCOSUR (Gemeinsamer Markt des Südens), dem das regionale Schwergewicht Brasilien, Argentinien, die kleinen Paraguay und Uruguay sowie inzwischen auch das im Nordwesten des Subkontinents gelegene Venezuela angehören. Die MERCOSUR-Staaten sind zusammen mit Bolivien und Kuba die einzigen der CELAC, mit denen die EU noch kein Handelsabkommen unter Dach und Fach gebracht hat. Und das, obwohl es sich beim MERCOSUR vor allem wegen Brasilien um den wichtigsten und potentesten Markt innerhalb der CELAC handelt, gefolgt von Mexiko. Die EU ist zwar auch ohne Abkommen der größte Handelspartner des MERCOSUR, wobei die EU mit 20 Prozent Handelsanteil weit bedeutender für den MERCOSUR ist als vice versa, denn das Handelsvolumen von knapp 96 Milliarden Euro 2014 macht gerade mal 2,8 Prozent des EU-Außenhandels aus. »Wir verfolgen das Ziel, ein umfassendes und ausgeglichenes Handelsabkommen zu vereinbaren, auf beiden Seiten entschlossen«, sagte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. Angebote zum gegenseitigen Marktzugang sollten bis Ende des Jahres vorgelegt werden. Aufs Tempo drängt auch Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff: Aus der Sicht des MERCOSUR und vor allem aus der Perspektive Brasiliens sei es »existenziell wichtig«, dass der Vertrag noch in diesem Jahr abgeschlossen werde. »Ob wir das allerdings tatsächlich schaffen, hängt von beiden Seiten ab.« Ob Rousseff mit der Perspektive Brasiliens viel mehr als das brasilianische Business im Blick hat, ist indes fraglich.
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