AfD-Parteitag: Kommt eine neue Lucke-Partei?
Gauland und von Storch zu Vizes gewählt / Rechte Flügelfrau Petry mit 60 Prozent neue Vorsitzende / Linkenchef Riexinger: AfD wird eine reaktionäre Pegida-Partei / Finanzchaos: Parteitag entlastet Vorstand nicht
16.20 Uhr: Der Parteitag geht weiter
Der Antrag, den Parteitag zu beenden, wurde mit großer Mehrheit abgelehnt, nachdem der Antragsteller als Mitglied in Bernd Luckes «Weckruf»-Verein geoutet wurde. Nun wird eine neue Schiedskommission gewählt. Sie wird fünfköpfig sein.
16.16 Uhr: Parteitag vertagen?
Ist der Parteitag noch beschlussfähig? Über 3.500 waren anfangs akkreditiert. Wenn weniger als die Hälfte davon noch vor Ort ist, und danach schaut es aus, kann das Parteitags-Präsidium den Parteitag vertagen. Es macht davon aber keinen Gebrauch, auch wenn ein Basis-Mitglied dies beantragte. Nun kann der Parteitag selber entscheiden: den Parteitag beenden?
15.32 Uhr: Hampel im Vorstand, Adam nicht
Der ehemalige Leiter des ARD-Studios Südasien, Armin Hampel, eigentlich Armin-Paulus Hampel, wurde soeben als Beisitzer in den Bundesvorstand der AfD gewählt. Konrad Adam, bisher einer von drei AfD-Bundessprechern, scheiterte erneut.
15.26 Uhr: Durchgreifen gegen Afrikaner
Und wieder träumt einer davon, dass die AfD bald schon «Volkspartei» wird. Nämlich nach dem unvermeidlichen Niedergang der CDU. Hampel heißt der Mann, Paul Hampel. Der Saal tobt. Und dann wettert einer gegen «Scheinasylanten» in Hamburg. Hampel sagt, er würde «nach Rechtslage» durchgreifen. Die «Afrikaner» (Neger sagt man auch hier nicht mehr) «sind abzuschieben», sagt Hampel, ein ehemaliger ARD-Journalist.
15.20 Uhr: Gegen die Willkommenskultur
Auch die Gründerin von «Christen in der AfD» will in den Bundesvorstand. Annette Schuldner plädiert «für eine von christlichen Werten geprägte Leitkultur». Ohne die habe Deutschland nämlich keine Zukunft. «Mit Gottes Hilfe» werde man «diese Ideale» erreichen. Applaus für das wirre Gestammel: immerhin mittelmäßig. Andere wettern gegen «political correctness», die «Willkommenskultur für Flüchtlinge» (die vielen AfDlern unerträglich ist, jedenfalls geistert der Begriff immer wieder durch die Grugahalle) oder die Home-Ehe. Jetzt spricht jemand «für die Polizei in Deutschland».
15.03 Uhr: Heute keine Proteste
Der gestrige Protest gegen den Parteitag blieb mickrig, an einer Kundgebung nahmen rund 100 Personen teil. Heute bleibt der Parteitag völlig ungestört. Kein Vergleich mit dem letzten Parteitag in Bremen, als Tausende gegen die rechte Partei demonstrierten, als Busse und Bahnen blockiert wurden, um das Treffen zu behindern.
15.01 Uhr: Henkel nicht vor Ort
Nicht in Essen ist der Europarlamentarier, ehemalige Vize-Vorsitzende der AfD und vormalige Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie – richtig, die Rede ist von Hans-Olaf Henkel. Aber im Netz kursiert immer noch dieses äußerst unterhaltsame Video der Deutschen Welle aus der Reihe «Made in Germany». «Hier oben habe ich ein Portrait von meiner Frau und Fidel Castro», begrüßt der einstige Lautsprecher des Kapitals das Kamerateam und zeigt auf ein überdimensioniertes Gemälde. Es zeigt Fidel Castro und die Frau von Hans-Olaf Henkel.
14.59 Uhr: Adam unterliegt und kandidiert erneut
Konrad Adam unterliegt im Kampf um den Posten des ersten Beisitzers im Bundesvorstand. Ob er weitere Kandidaturversuche unternimmt? Ja, er will nun zweiter Beisitzer werden.
14.55 Uhr: Der Wahlmarathon geht weiter
Gerade muss Konrad Adam, bisher einer von drei Parteichefs neben Lucke und Petry, in die Stichwahl. Es geht um einen einfachen Posten im Vorstand.
13.12 Uhr: Lucke dementiert Austritt
Bernd Lucke steht vor einem Saalmikro und will eine persönliche Erklärung abgeben. Das wird ihm jedoch nicht gestattet. Frauke Petry bietet Lucke ein persönliches Gespräch an. Im Interview mit dem Fernsehsender «phoenix» dementiert Lucke Austrittsgerüchte: «Ich bin nicht aus der AfD ausgetreten». Er sei aber seit Langem besorgt über den Kurs der Partei. Er denke über einen koordinierten Austritt nach.
13.04 Uhr: Lucke tritt aus Partei aus
Der bisherige AfD-Parteichef Bernd Lucke hat offensichtlich die Partei verlassen. Er wurde vom Versammlungspräsidium aufgefordert, den Saal zu verlassen. Laute Buh-Rufe. Der Parteitag wird unterbrochen. Lucke hatte gestern den parteiinternen Machtkampf gegen seine Konkurrentin Frauke
Petry verloren. Es wird über eine Abspaltung des Lucke-Flügels und die Gründung einer neuen Partei spekuliert.
12.22 Uhr: AfD-Kandidat macht wider den «Genderfaschismus» Front
Der Kandidat Peter Streichen beschimpft die Grünen als «pädophile Genderfaschistentruppe» und wettert wirder den «Pol-Pot-Gangster Kretschmann». Dann lobt der Politologe «meine wirklich umfangreichen Fähigkeiten». Die Stimmung im Saal wird immer «besser».
11.55 Uhr: Die Reden werden wirrer und robuster
Nun geht es um die Wahl des dritten Stellvertreters. Kandidaten und Reden werden immer wirrer. Die EU wird als «linksradikales Projekt» geschmäht, es wird gegen Griechenland gewettert und es gibt kaum verholen rassistische Parolen. Andere träumen von «libertären Kleinstaaten» an der Donau. Dem Publikum gefällts. Es herrscht Aufbruchstimmung.
11:35 Uhr: Von Storch gewählt
Tosender Applaus für die Parteirechte Beatrix von Storch, die für den Posten der zweiten stellvertretenden Bundesvorsitzenden kandidiert. Storch spricht sich gegen Sanktionen wider den Ultrarechten Björn Höcke aus. Sie ruft den liberal-konservativen Flügel auf, aufeinander zuzugehen. Als geschlossene Einheit habe die AdD das Potenzial zur Volkspartei. Dann der Wahlgang. And the winner is: Beatrix von Storch. Mit 86,7 Prozent.
11.17 Uhr: Alexander Gauland gewählt
Mit einem Ergebnis von 83,8 Prozent wurde Alexander Gauland zum ersten stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt, Standing Ovations für den Brandenburger Rechtsausleger.'Gauland nimmt die Wahl an.
11.15 Uhr: Neue Lucke-Partei?
Die Rechtspostille «Junge Freiheit» spekuliert über die Gründung einer neuen Partei auf Basis von Luckes «Weckruf»-Verein. Noch sei indes nichts entschieden. Völlig abwegig ist dieser Gedanke natürlich nicht. Lucke wurde gestern abserviert wie ein Schulbub, die Pöbeleien des
mobilisierungsstarken Petry-Anhangs, sein schlechtes Wahlergebnis von 38,1 Prozent (Petry: 60 Prozent) und Petrys vergiftetes Lob, Lucke sei «die Gallionsfigur der Gründungsphase» dürften Lucke nicht geschmeckt haben. Und sein «Weckruf»-Verein, der die Partei polarisierte, wurde
bereits vor dem Parteitag als Keimzelle einer potenziellen Partei angesehen. Lucke selbst ist vor Ort in Essen.
10.58 Uhr: Wider die «Willkommenseuphorie»
Noch immer stellen sich die Kandidaten für den Posten des ersten stellvertretenden Parteivorsitzenden. Das Debattenniveau ist unterirdisch. Im Visier der AfD-Basis (die natürlich Fragen an die Kandidaten richten darf): «Die für den Medien verordnete Willkommenseuphorie». Natürlich wird die subjektiv als äußerst gelungen empfundene Formulierung vom Blatt abgelesen. Zwei Mal hintereinander. Auch Aktionen wie «Kein Bier für Nazis» werden hier nicht goutiert. Ein unbekannter Kandidat wettert jedenfalls dagegen. Patriotismus sei besser.
10.45 Uhr: Gauland präsentiert sich
Jetzt redet Alexander Gauland. Der wohl aussichtsreichste Kandidat für den Posten des ersten stellvertretenden Vorsitzenden spricht sich unter Jubel gegen parteiinterne Abgrenzungen nach rechts aus. Einzige Grenze, die nicht überschritten werden dürfe, sei die Freiheitlich-demokratische Grundordnung. Der Mob vom ganz rechten Rand der Partei, der gestern gegen den vergleichsweise gemäßigten Bernd Lucke pöbelte, johlt. Gauland ist gegen TTIP. Das geplante Freihandelsabkommen hält der Parteirechte aus Brandenburg für «geostrategisch falsch». Er plädiert für eine Freihandelszone auch mit Russland. Deutschland sei «nicht souverän im Kopf», was sich in der Politik Deutschlands niederschlage.
Sonntag, 5. Juli
10.30 Uhr: Wahl des oder der ersten Vizevorsitzenden
Guten Morgen und schöne Grüße aus der Essener Grugahalle! Tag zwei des AfD-Bundesparteitages beginnt mit der Wahl der stellvertretenden Vorsitzenden. Wenig überraschend: Als erstes wird der oder die erste stellvertretende Vorsitzende gewählt. Neben dem Parteirechten Alexander Gauland wohl auch der Lucke-nahe Ökonom Joachim Starbatty, der es gestern noch abgelehnt hatte, auf Bitte der neuen Parteichefin Frauke Petry als zweiter Bundessprecher (und damit als Petrys faktischer erster Stellvertreter) zu kandidieren. Auf der Liste sind gut 15 weitere eher unbekannte Namen zu lesen. Es herrscht mal wieder Chaos: Die Kandidaten wurden teils wieder von Drittpersonen vorgeschlagen, bei einigen ist unklar, ob sie tatsächlich kandidieren wollen.
Samstag, 4. Juli
Update 20.00 Uhr: Der Tag im Überblick – Petry entmachtet Lucke
Ein turbulenter Tag auf dem AfD-Parteitag in Essen neigt sich dem Ende zu. Festzuhalten bleibt: Der Machtkampf ist deutlich zugunsten von Frauke Petry ausgegangen. Die Kandidatin des rechten Flügels setzte sich mit knapp 60 Prozent der Stimmen in einer Kampfabstimmung gegen Bernd Lucke durch, der dem konservativ-neoliberalen Flügel zugerechnet wird. Der bisherige Parteisprecher ließ offen, ob und welche Rolle er in der Partei nun übernehmen will. Wie es heißt, will sich Lucke noch am Samstagabend mit Anhängern seines im Frühjahr ins Leben gerufenen «Weckruf 2015» treffen, um ein weiteres Vorgehen zu beraten. Durch die Übernahme des Vorsitzes durch Petry wird erwartet, dass die rechtspopulistische Partei nun noch weiter nach rechts rücken wird. Der zum zweiten Sprecher gewählte und bisher praktisch unbekannte Ökonomieprofessor Jörg Meuthen dürfte in der künftigen Parteispitze nur eine Nebenrolle spielen.
Mit dieser Zusammenfassung des Tages verabschieden sich Marcus Meier (Essen) und Robert D. Meyer (Berlin),
Update 19.35 Uhr: Jörg Meuthen wird zweiter Sprecher der AfD
Der Ökonom Jörg Meuthen wurde mit einem Ergebnis von 62 Prozent zum zweiten Sprecher der AfD gewählt. Der Mittfünfziger lehrt an der Hochschule Kehl / Baden-Württemberg und ist politisch ein unbeschriebenes Blatt. 2014 kandidierte er auf Platz 10 der Bundesliste seiner Partei für die Europawahl.
Update 19.15 Uhr: Riexinger findet Ergebnis bedenklich
Via Twitter hat der LINKEN-Vorsitzende Bernd Riexinger den deutlichen Wahlerfolg der Parteirechten Frauke Petry als «bedenklich» bezeichnet. Wörtlich schrieb er: «Schlimmer geht immer.Reaktionäre triumphieren.#afd verkümmert z. nationalkonservativen rechtspopulitischen #pegidapartei #afdbpt.Bedenklich.»
Update 19.00 Uhr Elektronische Abstimmung, unbekannte Kandidaten
Die Wahl des zweiten Vorsitzenden soll elektronisch erfolgen, um Zeit zu sparen. Die Wahl der ersten Vorsitzenden dauerte insgesamt anderthalb Stunden. Doch viele der elektronischen Geräte stehen nicht mehr zur Verfügung: Viele Akkus sind leer, zudem soll fast jedes zehnte Gerät defekt sein. Die Unsicherheit elektronischer Abstimmungsverfahren spielt in der Debatte keine Rolle. Für den Posten des De-Facto-Stellvertreters Frauke Petrys stehen nur unbekannte Mitglieder zur Verfügung: der Parteirechte Wolfgang Gedeon, der Ökonomie-Professor Jörg Meuthen, der Journalist und Ex-Leiter des Südasien-Studios der ARD Paul Hampel, Hans-Georg Schröder und der habilitierte Arzt Jens Zeller, der bereits für Platz 1 kandidierte.
Update 18.50 Uhr: Lucke will nicht die Nummer zwei sein
Jetzt schlägt irgendwer Bernd Lucke als zweiten Sprecher vor. Doch Lucke steht nicht bereit. Immer mehr potenzielle Kandidatennamen fallen. Darunter auch derjenige des Kreisvorsitzenden der Hansestadt Lübeck. Freundlich formuliert: Es drängt sich niemand auf für den Posten im Schatten der Frau Petry.
Die salomonische Lösung: Jetzt dürfen sich Kandidaten nur noch selbst vorschlagen und nicht jedermann gleichsam jedermann ins Gespräch bringen. Doch niemand steht bereit. Die Kandidatenliste wird geschlossen.
Update 18.42 Uhr: Schwierige Kandidatensuche
Nun werden sehr viele Parteimitglieder von anderen Parteimitgliedern als potenzieller zweiter Sprecher vorgeschlagen. Viele zieren sich, nicht wenige aber werfen ihren Ring in den Hut, pardon: den Hut in den Ring. Der bisherige Vorstandssprecher neben Lucke und Petry, Konrad Adam, will nicht als zweiter Sprecher kandidieren. Mittlerweile sind rund zwei Dutzend Namen gefallen.
Update 18.32 Uhr: Starbatty will nicht Petry-Stellvertreter werden, Gauland auch nicht
Alexander Gauland wurde als zweiter Sprecher vorgeschlagen. Er lehnt aber ab. Frauke Petry schlug zunächst Joachim Starbatty als ihren De-facto-Stellvertreter vor. Er zählt zum Umfeld Luckes, war Mitglied des vorhin von Petry noch heftig kritisierten «Weckrufs 2015». Offenbar sieht Petry darin einen Akt der Resozialisierung, zugleich ein Signal für die Integration des liberal-konservativen Flügels. «Weckruf»-Frontfrau Ulrike Trebesius zieht ihre Kandidatur zurück. NRW-Landeschef Marcus Pretzell und Beatrix von Storch stehen nicht für eine Kandidatur bereit. Gleiches gilt für den Thüringer Landtagsfraktionschef Björn Höcke. Auch Starbatty erteilt Frauke Petry schließlich einen Korb.
Update 18.20 Uhr «Kein Sieg der Parteirechten»
«Das ist kein Sieg der Konservativen über die Liberalen in der Partei. Wir sind nur gemeinsam stark. Wir sind noch eine kleine Volkspartei», betont die neue Parteichefin Frauke Petry. «Lassen Sie uns gemeinsam in Deutschland Politik verändern», mahnt sie ihre Partei zur Geschlossenheit. Auch der zweite Sprecher wird an diesem Abend noch gewählt.
Update 18.15 Uhr: Petry gewinnt Wahl um Parteivorsitz
Jubel im Saal der Grugahalle: Frauke Petry ist neue erste Vorsitzende der AfD. Knapp unter 60 Prozent der anwesenden Parteimitglieder stimmten für die Frontfrau des rechten Parteiflügels. Lucke erhielt gut 38 Prozent der Stimmen, der Rest verteilte sich auf drei weitere Kandidaten. Der Applaus ist frenetisch. Petry bedankt sich bei der «Gallionsfigur der Gründerzeit», dem unterlegenen Lucke. Jetzt sei Einigkeit wichtig.
17.50 Uhr Chaos pur: Parteitag entlastet Vorstand nicht
Wird der Parteitag den scheidenden Vorstand entlasten? 2013 war er gewählt worden. Elf Mitglieder traten seitdem zurück – darunter auch der Schatzmeister Norbert Stenzel, dem zudem vorgeworfen wird, Reisekosten ohne Abgabe von Belegen erstattet bekommen zu haben. Eine von vielen finanziellen Ungereimtheiten, die viele Mitglieder erst aufgeklärt sehen wollen, bevor sie den Vorstand künftig etwaig entlasten werden. Tatsächlich wird der Vorstand nicht entlastet – der Parteitag stimmte mit großer Mehrheit dafür. Ein klarer Ausdruck des Misstrauens.
Update 17.25 Uhr Rechnungsprüfer: Alten Vorstand nicht entlasten!
Die Rechnungsprüfer der AfD empfehlen, den Parteivorstand für den Zeitraum seit April 2013 nicht zu entlasten, da zu viele Ungereimtheiten in der Buchhaltung entdeckt haben. Dazu zählen Reisekosten, die ohne Belege ausbezahlt wurden und ein Paypal-Konto, das erst bei der Rechnungsprüfung entdeckt wurde. Es enthielt rund 35.000 Euro, die nicht in der Partei-Bilanz auftauchten. Die Entlastung könne aber auf einem späteren Parteitag nachgeholt werden.
16.45 Uhr: Die Vorsitzendenwahl beginnt
Der erste Wahlgang für die Wahl des ersten zu wählenden Vorsitzenden oder der ersten zu wählenden Vorsitzenden hat begonnen. Abgestimmt wird nicht elektronisch, sondern auf einem Stimmzettel. Darauf schreibt der Abstimmungsberechtigte entweder den Namen seines Favoriten oder seiner Favoritin, alternativ «Nein» oder «Enthaltung». Über 3500 Parteimitglieder dürfen abstimmen. Zum Vergleich: Der chinesische Volkskongress hat 3000 Mitglieder, die knapp 1,4 Milliarden Menschen und nicht bloß 22.000 AfD-Mitglieder repräsentieren. Letztlich handelt es sich hier natürlich um das Duell Bernd Lucke gegen Frauke Petry.
Update 16.25 Uhr: Ex-Pirat meets Verschwörungstheorie
Ein erster Kandidat zog seine Kandidatur zugunsten von Frauke Petry zurück. Jetzt stellt sich der Ex-Pirat und Ex-Junge-Unions-Mitglied Christian Jacken vor. Er hält die Fahne eines Mikrostaats hoch und kritiisierte das elektronische Abstimmungssystem. Der US-Geheimdienst NSA könne dies manipulieren und habe auch ein Interesse daran. Der nächste Kandidat fordert Geschlossenheit ein – mit ihm selbst an der Spitze. Dann redet er von «vereinter Einsamkeit» - was immer das auch heißen mag. Er hat Urenkel. Das sei ein Ausdruck von Nachhaltigkeit. Gelächter. Lucke verzichtet auf eine weitere Rede – es wäre die dritte des Tages. Petry sagt, sie wolle ein konstruktiv arbeitendes, gleichwohl provokationsfähiges Team formen. Der liberale Teil des Bürgertums müsse in der Partei weiterhin ein zuhause haben und auch, obwohl Minderheit, im Vorstand angemessen vertreten sein. Im Vorstand wünscht sie sich aber auch die Parteirechten: Beatrix von Storch und Alexander Gauland. Und einen Vertreter des Weckrufs: Joachim Starbatty. «Helfen Sie mir, einen Vorstand der Einheit zu wählen!», fordert Petry ihre Parteifreunde auf. Zum Schluss bekommt auch der Arzt W. Jens Zeller seine drei Minuten des Ruhms: Die Partei verzettele sich in Flügelkämpfen, statt den politischen Gegnern anzugreifen. Starken Applaus erntete er für verschwörungstheoretisch angehauchte USA-kritische Statements.
16.05 Uhr: Vorstandswahlen werden vorgezogen
Für das Amt des zuerst gewählten Vorsitzenden kandidieren neben Bernd Lucke und Frauke Petry vier weitere Kandidaten. Soll die Redezeit begrenzt werden auf fünf, drei, zwei oder nur eine Minute? Petry und Lucke haben doch gerade erst laaaaaaaange geredet.
Update 15.50 Uhr: Lucke fordert Merkels Rücktritt
Auch Bernd Luckes Rechenschaftsbericht gerät zur Wahlkampfrede. Er teilt den Parteitag so wie Moses das rote Meer teilte: in zwei Hälften. Und Lucke marschiert durch die Mitte. Er forderte Positionen jenseits der «Inhaltsleere der Altparteien» und des «Populismus an den politischen Rändern». Diese Gratwanderung sei die große Herausforderung, rief er in Richtung des rechten Flügels. Erstmals brandet starker Applaus auf. Doch da sind auch Buh-Rufe. Muslime dürften nicht pauschalisierend ausgegrenzt werden, auch wenn man bestimmte Erscheinungsformen «sehr, sehr kritisch sehen» müsse, insbesondere einen Mangel an Gleichberechtigung der Geschlechter. In Deutschland solle jeder nach seiner Facon glücklich werden, solange es der Staatsraison nicht schade. Eine Attacke auf Petry. Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus müssten schnell abgeschoben, Menschen in Not indes Zuflucht finden. Starke Buhrufe.
Nein, die AfD sei keine Pegida-Partei. «Das haben wir nie irgendwo beschlossen». Auch Systemkritik und Geldkritik seien überflüssig. Standing Ovations und Buh-Rufe waren die Folge. Lucke goß Öl ins Feuer: Zuletzt sei ihm das Wort von «der Antifa» abgeschnitten worden. Als er ein Zurück zur D-Mark fordert, bricht ungehemmter Jubel aus. Der Bundeskanzlerin wirft er vor, die Insolvenz Griechenlands «verschleppt» zu haben. Damit habe sie gegen ihren Amtseid verstoßen: Deutsche Steuergelder seien in Milliardenhöhe auf Nimmerwiedersehen in Griechenland verschwunden. «Griechenland gehört nicht in den Euro, der Euro gehört nicht nach Europa.»
Lucke fordert Merkels Rücktritt und Neuwahlen. Zum Schluss: Standing Ovations gegen Pfiffe und Geschrei.
Update 15.15 Uhr: Petry - AfD muss sich professionalisieren
Die Noch-Bundesvorsitzende Frauke Petry sieht die AfD an der «Schwelle zu Professionalisierung». Die beiden bisherigen Vorstände seien «Verwaltungsvorstände» gewesen, nun brauche es einen «Vorstand der politischen Köpfe und der politischen Konzepte», der zudem ein «politisches Rückgrat» aufweisen müsse. Mithin müsse die AfD poltikfähig werden. Die derzeitigen Streitigkeiten seien Geburtswehen einer «großen Partei». Es gebe in ihrer Partei Diskussionen, die lebendig seien «und nicht tot wie bei den etablierten Parteien». Die Chemikerin betonte, die AfD müsse Themen «deutlich bedienen», um Gehör zu finden. Und sie ging dann auch mit «gutem» Beispiel voran: «Der Islam» vertrete «ein Staatsverständnis, das uns fremd ist und mit deutschen Grundgesetz nicht vereinbar ist». Pegida hätte stärker unterstützt werden müssen, sagte sie in Richtung Lucke: «Das sind die Bürger, mit denen wir primär Politik machen wollen.»
Update 14.55 Uhr Petry entlarvt eine Lucke-Lüge
Der Bundesvorstand habe keinen formalen Beschluss gefasst, den Bundesvorstand neu zu wählen, sondern lediglich den Punkt auf einen Tagesordnungsentwurf gesetzt. Laut Lucke fand der Beschluss am 9. Juni einstimmig statt und sei notwendig, um die Neuwahl juristisch unanfechtbar zu machen. Auch hier widerspricht das Petry-Lager. Eine Neuwahl sei auch ohne diesen angeblichen Beschluss möglich.
Update 14.40 Uhr: Abfuhr für Lucke
Die Wahl des Generalsekretärs wurde von der Tagesordnung gestrichen. Drei von fünf AfDlern vor Ort stimmten in dieser Frage im Sinne des rechten Flügels. Bernd Lucke wollte André Yorulmaz aus dem Ruhrgebiet in diese Position wählen lassen. Luckes Opponentin Frauke Petry ist derweil laut Medienberichten zu einer Doppelspitze mit Lucke bereit. Lucke hatte solchen Modellen in der Vergangenheit eine Absage erteilt.
14.20 Uhr: NRW-Landeschef Pretzell redet
Gerade lässt sich der Petry-Vertraute und nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Marcus Pretzell bejubeln. Seine Codes sind leicht zu entschlüsseln: Es geht gegen rot-grüne «Bevormundung», gegen Rumänen und Bulgaren, Homosexuelle, Griechen und «das Establishment in diesem Lande» und für «klassische Werte» und die «klassische Familie» und «Systemkritik». Dafür müsse man sich nicht als rechtsextrem oder reaktionär beschimpfen lassen, betont das Mitglied einer pflichtschlagenden Burschenschaft. Die AfD sei zumindest eine kleine Volkspartei und wolle bald eine mittelgroße sein, schildert Pretzell seine subjektive Wahrnehmung. «Sind wir die Euro- oder die Pegida-Partei? Wir sind beides und noch viel mehr!» Pretzells Schlusssatz: «Die AfD hat ihre großen Sternstunden noch vor sich» – ein Viertel des Saal applaudiert stehend, das zweite und das dritte Viertel applaudieren sitzend.
14.00 Uhr: Noch fünf Stunden bis zur Vorstandswahl?!
Laut AfD-Pressesprecher Christian Lüth wird die Vorstandswahl für etwa 19 Uhr erwartet, auch wenn er sich darauf «natürlich nicht festnageln» lassen wolle. Nach seiner Aussage sei die neue und nicht die alte oder gar überhaupt keine Satzung Grundlage der Entscheidungen: «Bremen gilt», betonte Lüth auf «nd»-Frage. Dies sei der Fall, obwohl diese Satzung noch einmal auf einem ordentlichen Parteitag – also: in Zukunft und ein zweites Mal – beschlossen werden müsse, wie Lüth hervorhob. Der Widerspruch ließ sich auch nach mehrmaligem Nachhaken nicht aufheben.
13.22 Uhr: Es gibt eine Tagesordnung
Drei Stunden und 22 Minuten nach Beginn des Parteitages hat sich dieser eine Tagesordnung gegeben. Das Satzungproblem hingegen bleibt ungelöst: Gilt die alte Satzung oder die Anfang des Jahres in Bremen beschlossene neue? Dieser Parteitag droht zur ABM-Maßnahme für querulantenfreundliche Juristen zu werden.
13.00 Uhr: Eher Lucke oder eher Petry?
Gewiss, Frauke Petry bekam heute morgen viel mehr Applaus und erheblich weniger Buh-Rufe als Bernd Lucke. Einen machtpolitischen Erfolg konnte das Lucke-Lager aber bereits vorab erringen: Was hier in Essen stattfindet, ist ein Mitglieder-, kein Delegierten-Parteitag. Jedes Parteimitglied, das den Weg ins Ruhrgebiet findet, darf also über Kurs und Spitze der AfD mitbestimmen (wenn man sich denn mal über die Fragen von Satzung und Tagesordnung einigen würde). Ein «Etappensieg für den neoliberalen Flügel» um Lucke, befindet der Soziologe und AfD-Kenner Andreas Kemper. Denn das Lucke-Lager wisse «eher die Mitglieder als die Delegierten auf seiner Seite». Auch das Prinzip des Delegierten-Parteitags wurde übrigens vom mächtigen und eigensinnigen Bundesschiedsgericht gekippt.
12.45 Uhr: Angeblich 3000 Parteifreunde vor Ort
Die Versammlungsleitung behauptet, es seien 3000 AfDler vor Ort in der Essener Grugahalle. Der Saal ist in der Tat gut gefüllt.
12.43 Uhr: Gegendemonstration beendet
Laut Christian Baumann vom Bündnis «Essen stellt sich quer» wurden die Proteste vor der Halle zwischenzeitlich beendet: «Inzwischen wurde die Kundgebung aufgelöst, da sich alle Besucherinnen und Besucher des Parteitages im Gebäude befinden.» Will meinen: Draußen gibt es keine Adressaten mehr für Anti-AfD-Proteste. Baumann spricht von einem «bunten, vielfältigen und friedlichen Protest». Er habe sich gegen eine «weitere Öffnung nach Rechts, gegen Rassismus und Sexismus, den die AfD kolportiert» gerichtet.
12.25 Uhr: Keine Satzung, keine Tagesordnung
Es tobt im Saal eine bizarre Schlacht, in der Geschäftsordnungsanträge als Waffe benutzt werden. Muss man erst klären, welche Satzung gilt, bevor man eine Tagesordnung beschließen kann? Oder soll man erst die Tagesordnung beschließen – entweder mit oder ohne Debatte über die (aktuelle oder künftige) Satzung? Oder soll man erst den Parteivorstand wählen und dann eine Tagesordnung beschließen? All das wurde beantragt. Wir stellen fest: Der Parteitag tagt ohne Satzung und – zumindest bisher – ohne Tagesordnung. «Man könnte metaphorisch auch von Chaos sprechen», sagt ein Journalist im Pressezentrum.
Update 12.20 Uhr: Musikalische fragwürdig
Es wurde ein Zettel verteilt, auf dem neben dem Text von «Die Gedanken sind frei» auch das «Lied der Deutschen» inklusive aller drei Strophen dokumentiert ist. Darüber steht in altdeutscher Schrift der Satz: «Wo man singt, da laß`Dich ruhig nieder, böse Menschen und die antifa (sic!) haben keine Lieder!»
11.55 Uhr: Welche Satzung gilt?
Es ist fünf vor Zwölf und es wird spannend: Erstmals spricht ein Redner aus dem Saal an, dass die Bremer Satzung nicht mehr gelte. Sie wurde zwar mit Zwei-Drittel-Mehrheit auf dem Bremer Parteitag Anfang des Jahres beschlossen, aber vom Bundesschiedsgericht einkassiert. Um es klar zu sagen: Niemand weiß, auf Basis welcher Satzung, also auf welcher rechtlichen Grundlage dieser Parteitag Entscheidungen treffen will.
11.40 Uhr: Lucke: AfD droht Rechtsruck
Lucke und Petry gaben der Rechts-Postille «Junge Freiheit» vor dem Parteitag große Interview. Laut Lucke steht die AfD vor einer Richtungsentscheidung. «Ich möchte den Kurs halten.... Andere wollen den Kurs verändern und aus der AfD eine Art Wut- und Protestpartei machen.» Dies würde einen Großteil der Mitglieder zum Austritt bringen. Derzeit drängten «Vertreter der Identitären» und der Neuen Rechten in die AfD. Dem trete er, Lucke, entschieden entgegen. «Ich bin davon überzeugt, dass die Partei nur eine Chance hat, wenn sie sich kompromissfähig zeigt, verschiedene Strömungen integriert», konterte die Petry.
11.30 Uhr: Abstimmungsverfahren manipulationsanfällig
Der Parteitag will mit elektronischen Geräten abstimmen. Ein angeblicher Experte hatte «das System» als praktisch manipulationssicher klassifiziert. Selbst dann, wenn man «hinten im Saal» sitze. Kritische Nachfragen wurden weggebuht. Doch auch bei Rechtspopulisten gilt natürlich das e-demokratische Dilemma: Eine elektronische Abstimmung ist entweder transparent oder geheim, eine demokratische Abstimmung muss aber beides sein, transparent und geheim also. Nicht umsonst wurde der Einsatz von Wahlcomputern in Deutschland vom Bundesverfassungsgericht einkassiert. Ein prima Anfechtungsgrund für alle Abstimmungen des Parteitages.
11.15 Uhr: Flaue Proteste vor der Halle
Vor der Halle protestieren rund 70 Menschen unter LINKE-, SDAJ- und Grünen-Fahnen gegen den AfD-Parteitag. Wäre es nicht klüger, die AfD-Chaoten einfach ungestört tagen zu lassen mit all ihren kaum auflösbar erscheinenden Konflikten? Schadet man der Partei nicht am meisten, wenn man sie sich selbst schaden lässt? «Wir hoffen diesen Prozess der Selbstzerfleischung von außerhalb der Parteitags-Arena wohlwollend begleiten zu können», schmunzelt Max Adelmann, Sprecher des Bündnisses «Essen stellt sich quer». Aber: «Wir lassen hier in Essen keine Rassisten einfach tagen.» Im Januar hätten 4000 Essener gegen Hogesa demonstriert, am 1. Mai sei ein Aufmarsch von «Die Rechte» gestoppt worden. «Warum», fragt Adelmann, «sollten wir dann die AfD in Ruhe lassen? Die gehören doch glasklar in dieses politische Umfeld rassistischer und rechtsradikaler Organisationen und Gruppen.»
Einfach tagen lassen und auf die autodestruktive Kraft der AfD vertrauen? Auch Azad Tarhan ist von dieser Idee nicht wirklich begeistert. «Vordergründig scheint das eine sinnvolle Herangehensweise. Es ist gut, dass die AfD sich inzwischen auch durch ihre Streitereien selbst entzaubert. Sie als einen Haufen Chaoten darzustellen, ist jedoch gefährlich und wird der Lage nicht gerecht», meint der im Vorstand der LINKE NRW für antifaschistische Politik zuständige Politiker. Die AfD sei europaweit vernetzt, habe bei Wahlen allzu gute Ergebnisse erzielt und Pegida «mit aufgebaut». «Wir sollten sie daher nicht einfach unbehelligt agieren lassen. Organisationen reagieren nicht wie Menschen, die man durch Nichtbeachtung strafen oder isolieren kann», so der LINKE-Vorstand Tarhan.
11 Uhr: Petry umwirbt Parteirechte mit Attacken gegen politische Korrektheit
Die interne Debatte trage «zunehmend totalitäre Züge», behauptet Petry. Minderheitenmeinungen würden in der Gesellschaft schnell als rechts, fremdenfeindlich und antisemitisch diffamiert. Die AfD dürfe solche Begrifflichkeiten nicht nutzen. Sie seien «das ausgediente Vokabular der etablierten Parteien». Ein erster heftiger Angriff auf Lucke. Der Saal tobt. Zu Unrecht werde die Partei in die rechte Ecke geschoben. Wichtig für die Glaubwürdigkeit sei es, «unseren Mut von 2013 wieder zu finden». Angriffe von außen müsse man als AfD-Politiker, das sei jedoch leichter, wenn man nicht zusätztlich Angriffen von innen ausgesetzt werde. Applaus! Ihr Schlussatz ist ein Angriff auf Bernd Luckes Egomanie: «Heute geht es eben nicht ums ich, sondern ums wir!» Zwei Minuten lang Sportpalastredenstimmung in der Grugahalle.
10.49 Uhr: Auch Petry wird ausgebuht - zunächst
Auch Frauke Petry wird mit Buh-Rufen, allerdings auch mit Applaus begrüßt. «Aufhören!», ruft ein Ossi. Sie fordert ein «Signal für einen respektvollen Umgang miteinander» ein. Schon jetzt klatschen die Mitglieder lauter als zum Schluss der Lucke-Rede. Dabei sagt sie Ähnliches wie Lucke. Petry will wie Lucke «eine harte, sachliche Debatte». Auch sie bedankt sich bei Parteifreunden. Wie Lucke betont sie, dass es «kein Ost-West-Problem» gebe. Sie verteidigt die Partei-Rechte gegen Kritik. Kritik an rechts vergifte das politische Klima in Deutschland. Jubel ist die Antwort der vielen hundert Mitglieder im Saal.
10.45 Uhr: Lucke «reißt» ausgestreckte Hand
Erstmals starker Applaus: Lucke fordert, dass rechtsradikale Vorstellungen ebensowenig Platz in der AfD haben dürften wie linksradikale, anti-westliche oder antikapitalistische. Zum Schluss eine nette freudsche Fehlleistung: «Ich habe versucht, eine ausgestreckte Hand zu reißen, äh, zu reichen, und ich hoffe, dass sie ergriffen wird.» Frauke Petry scheint all das zu genießen. Sie ist bester Laune, lächelt und lacht. Gleich darf die Lucke-Konkurrentin sprechen.
10.40 Uhr Lucke gewinnt Terrain zurück
Lucke verteidigt die ostdeutschen Verbände gegen den Vorwurf, sie seien rechter als die westlichen. Er lobt sogar den Rechtsausleger der Partei, Björn Höcke, weil der Thüringer sich nicht an Intrigen beteiligt habe. Als Lucke gegen die «stark gestiegene Zuwanderung» wettert und Verständnis für «Überfremdungsängste» zeigt, steigt die Stimmung. Lucke fordert ein Zuwanderungsrecht nach kanadischem Vorbild, eine stärkere Abschottung gegen Flüchtlinge und eine «konsequente Abschiebepraxis». Der Mindestlohn vernichte Arbeitsplätze. Lucke fordert «Mut zur Marktwirtschaft», ferner «Fleiß, Ordnung und Disziplin». Schon seit Minuten keine Buhrufe mehr. Petry und Adam klatschen nicht.
10.30 Uhr: Lucke hält seine eigene Grabrede
Lucke erwähnt seinen «Weckruf 2015». Nun schlägt dem Noch-Parteichef offener Hass entgegen. Sein Weckruf-Button, denn hunderte im Saal trügen, sei eine «Einladung zum Gespräch», nicht jedoch ein Zeichen der Ausgrenzung. «Geh nach Hause», ruft jemand. Der Applaus ist spärlich. Pfiffe. Buh-Rufe. Höhnisches Lachen, als Lucke behauptet, die Weckrufler wollten nicht spalten. Hier hält ein Mann seine eigene Grabrede. Lautstarke «Weckruf raus!»-Rufe. Eine Minderheit klatscht stehend.
10.21 Uhr: Lucke wird ausgebuht
Lucke steht lächelnd am Redepult. Spärlicher Applaus, Buhrufe, störende Zwischenrufe. «Wir wissen das wir eine historische Aufgabe haben», betont Lucke. Um den richtigen Weg werde gerungen, in einer Art und Weise, «die kein Ruhmensblatt war». Die Sache sei entglitten. Weitere Zwischenrufe. Er bedauere das, sagt Lucke. «Heuchler!», tönt es ihm entgegen. «Der Streit muss heute entschieden werden und unverzüglich aufhören», sagt Lucke. Die Minderheit müsse sich dann der Mehrheit unterordnen.
Update 10.16 Uhr: Adam – Müssen politikfähig bleiben
Adam mahnt zu Politikfähigkeit und skeptischer Grundhaltung. Es gebe keine politische Linie, sondern einen Korridor. «Nach wie vor haben wir eine große Chance und eine Pflicht dem Land und den Leuten gegenüber», glaubt Adam. Er mahnt aber die Fähigkeit zum Kompromiss an. Der Selbstgerechte halte sich gerne für den guten Hirten, den Rest der Welt jedoch für Schafe. «Ich halte dieses Weltbild für problematisch und schädlich für die Partei. Erste Buhrufe, die sich mit Applaus mischen, als Adam Bernd Lucke als »Fachmann, der in der Politik wenig zu suchen hat«. Gejohle: Die fremdenfeindlichen Themen (»Wie unterscheidet man Flüchtlinge von Asylanten?«) hätten die Eurokritik in Bedeutung überholt. Das Publikum findet es mehrheitlich gut. Als er gegen »Vereinsgründungen« und damit gegen Lucke wettert, tobt der Saal. Standing Ovations. »Als rechts gilt heute, wer einer geregelten Arbeit nachgeht, seine Kinder pünktlich in die Schule schickt und der Ansicht ist, dass sich der Unterschied zwischen Mann und Frau mit bloßem Auge erkennen lässt«, spottet Adam. Schon wieder Gejohle.
Pünktlich um 10 Uhr startet der vierte Parteitag der AfD. Es sprechen nacheinander: Die drei gleichberechtigten Noch-Vorsitzenden Konrad Adam, Frauke Petry und Bernd Lucke. Die einen hofften auf ein letztes Gefecht, die anderen auf einen dauerhaften Friedensschluss, sagt Adam. Beides sei falsch. Der Meinungsstreit werde weitergehen. Die Umgangsformen sollten künftig aber stimmen. Applaus! Ein-Mann-Show mit Bernd Lucke statt Triumvirat? Die Wahl eines neuen Bundesvorstands ist der entscheidende Tagesordnungspunkt des AfD-Bundesparteitages. Es stehen sich gegenüber: Das wirtschaftsliberale Lager um den Ökonomen Bernd Lucke und der national-konservative Flügel um die ehemalige Unternehmerin Frauke Petry. Bisher sind Petry und Lucke gleichberechtigte Bundesvorsitzende, zusammen mit dem ehemaligen FAZ-Journalisten Konrad Adam als Drittem ihrer Art. Zweite wichtige Frage: Wird erneut über die Satzung abgestimmt, die auf dem Bremer Parteitag Anfang des Jahres mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen, aber vom Bundesschiedsgericht einkassiert wurde? Lucke will das verhindern. Beide Megathemen kulmininieren in einer offenen Mega-Frage: Nach welcher Satzung wird überhaupt der neue Vorstand gewählt?
Update 9.15 Uhr: Kritik an Essener Verwaltung
Der Parteitag ist vor Ort nicht unumstritten. Scharfe Kritik an der Essener Verwaltung übt Max Adelmann von »Essen stellt sich quer«. Sie dulde den Parteitag in der Grugahalle »aus purer Gier nach dem schnellen Geld«. In früheren Jahren, erinnert Adelmann, hätten hier auch Großveranstaltungen der »Grauen Wölfe«, türkischer Faschisten also, stattgefunden. »Leider wurden die auch erst nach Protesten der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr angenommen.« Adelmann ergänzt: »Bei der Entwicklung ethischer Grundsätze hat die Messe Essen noch deutlich Nachholbedarf. Darauf zu drängen diesen Mangel abzustellen sehen wir die Stadt Essen als Mehrheitshalter der Messegesellschaft in der Pflicht.« Auch der in Essen beheimatete Bundestagsabgeordnete Kai Gehring ist nicht amüsiert: »Die AfD ist eine im Kern rechtspopulistische Partei, die gegen Europa, Flüchtlinge, Minderheiten und Frauenrechte hetzt und übelste Ressentiments schürt. Es ist daher mehr als bedauerlich, dass Essen durch den AfD-Bundesparteitag zum Schauplatz für rechtspopulistische Stimmungsmache zu werden droht.«, schreibt der Grünen-Politiker.
Update 7.45 Uhr: SPD-Generalsekretärin: AfD ist »zutiefst rechtspopulistische Veranstaltung«
SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi erwartet vor dem Parteitag der »Alternative für Deutschland« (AfD), dass sich die Partei »in einem atemberaubenden Tempo zerlegt«. In einem Interview mit der »Neuen Osnabrücker Zeitung« sagte sie, der Umgangsstil in der AfD sei »desaströs«. Parteigründer Bernd Lucke und seine Stellvertreterin Frauke Petry »hassen sich offenbar bis aufs Blut«, sagte Fahimi. Trotz dieses »Chaos« dürfe aber nicht vergessen werden, dass es sich bei dem AfD-Treffen um eine »zutiefst rechtspopulistische Veranstaltung« handle. »Die Rechtspopulisten in Deutschland werden nicht einfach verschwinden, wenn die AfD von der Bildfläche verschwindet«, warnte Fahimi.
Update 7.40 Uhr: Ein-Mann-Show mit Bernd Lucke statt Triumvirat?
Die Wahl eines neuen Bundesvorstands ist der entscheidende Tagesordnungspunkt des AfD-Bundesparteitages. Es stehen sich gegenüber: Das konservativ-neoliberalen Lager um den Ökonomen Bernd Lucke und der rechte Flügel um die ehemalige Unternehmerin Frauke Petry. Bisher sind Petry und Lucke gleichberechtigte Bundesvorsitzende, zusammen mit dem ehemaligen FAZ-Journalisten Konrad Adam als Drittem ihrer Art. Zweite wichtige Frage: Wird erneut über die Satzung abgestimmt, die auf dem Bremer Parteitag Anfang des Jahres mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen, aber vom Bundesschiedsgericht einkassiert wurde? Lucke will das verhindern.
Beide Megathemen kulmininieren in einer offenen Mega-Frage: Nach welcher Satzung wird überhaupt der neue Vorstand gewählt? Einen machtpolitischen Erfolg konnte das Lucke-Lager bereits vorab erringen: Was hier in Essen stattfindet, ist ein Mitglieder-, kein Delegierten-Parteitag. Jedes Parteimitglied, das den Weg ins Ruhrgebiet findet, darf also über Kurs und Spitze der AfD mitbestimmen. Ein »Etappensieg für den neoliberalen Flügel«, befindet der Soziologe und AfD-Kenner Andreas Kemper. Denn das Lucke-Lager wisse »eher die Mitglieder als die Delegierten auf seiner Seite«. Auch das Prinzip des Delegierten-Parteitags wurde übrigens vom mächtigen und eigensinnigen Bundesschiedsgericht gekippt.
Update 6.45 Uhr: Zwei Vorabberichte zum Bundesparteitag der AfD
»Dissonanzen mit Querflöte und Orgel« ist jene Analyse Gabriele Oertels überschrieben, die sich mit dem Machtkampf Lucke ./. Petry beschäftigt. Marcus Meier schreibt über das Chaos bei der AfD und verleiht seiner Hoffnung Ausdruck, die Rechtspartei könnte wider Willen eine objektiv fortschrittliche Rolle spielen.
Lucke oder Petry: Wer führt die Rechtspartei AfD?
Berlin. Im Machtkampf zwischen dem rechten und dem konservativ-neoliberalen Flügel der Rechtspartei AfD steht an diesem Samstag die Entscheidung an. Allerdings müssen die Delegierten zunächst darüber befinden, ob es eine Einer-Spitze oder ein anderes Modell geben soll. Auf einem außerordentlichen Bundesparteitag in Essen sollen die Mitglieder der Alternative für Deutschland einen neuen Parteivorstand wählen. Der konservativ-neoliberale Flügel steht mehrheitlich hinter dem Parteigründer Bernd Lucke. Rechte und Nationalkonservative unterstützen seine Rivalin Frauke Petry aus Sachsen.
Von den knapp 21.000 Mitgliedern haben sich mehr als 4.400 für den Parteitag angemeldet. Jedes Parteimitglied ist teilnahme- und stimmberechtigt. Viele sehen in der Wahl des neuen Bundesvorstands auch eine Entscheidung über die Zukunftschancen der Partei. »Der Zuspruch aus der Mitgliedschaft ist enorm«, sagt Parteisprecher Christian Lüth. »Nach all dem, was ich höre, hoffen die Mitglieder auf einen Richtungsentscheid und wollen die Arbeits- und Politikfähigkeit der AfD unter Beweis stellen.« Die AfD ist in fünf Landtagen vertreten und im Europäischen Parlament.
Wie schon beim AfD-Satzungsparteitag Ende Januar in Bremen, so haben sich auch diesmal Demonstranten angekündigt, die gegen die Politik der Rechtspartei protestieren wollen.
Der Forsa-Geschäftsführers Manfred Güllner attestierte der AfD schon jetzt deutliche Zersetzungserscheinungen, die durch den innerparteilichen Führungsstreit befördert würden. »Die AfD zerlegt sich selbst - wie nahezu alle rechtsradikalen Parteien zuvor«, sagte Güllner. Dass die AfD eine rechtsradikale Partei sei, stehe für ihn außer Frage, so der Forsa-Chef. »Ich darf sie auch so nennen, denn die Versuche der AfD, gerichtlich dagegen vorzugehen, sind gescheitert.«
Dass die vor zwei Jahren als »Eurokritiker« angetretene AfD von der aktuellen Griechenland-Krise und dem Schuldenstreit nicht profitiere, sei nur auf den ersten Blick verwunderlich, erklärte Güllner. »Die Euro-Kritik diente als Tarnung, als Projektionsfläche, auch als Feigenblatt. Tatsächlich aber war die AfD immer eine Partei, die das rechtsradikale Milieu angesprochen hat. Das Thema Griechenland bringt ihr deshalb nichts«, sagte der Forsa-Gründer und -Geschäftsführer.
Die Mehrheit der Deutschen vermisst bei der AfD eine deutliche Abgrenzung zum Rechtsextremismus. 63 Prozent der Bundesbürger sind der Ansicht, die AfD distanziere sich nicht genug von rechten Inhalten und Mitgliedern, wie das am Freitag veröffentlichte ZDF-»Politbarometer« ergab. Der AfD-Europaabgeordnete Hans-Olaf Henkel warnte vor einer »NPD light«, sollte sich Petry als alleinige Vorsitzende durchsetzen. Er sagte am Freitag im WDR mit Blick auf die mögliche Wahl Petrys, in einem solchen Fall sei »die Wahrscheinlichkeit, dass immer mehr Vernünftige und Liberale die Partei verlassen werden, viel zu groß«. Henkel verteidigte Lucke, der für ihn »der Garant für das breite Spektrum der Partei« sei. Es gehe darum, den liberalen und konservativen Flügel in der Partei zusammenzuhalten. Von bestimmten Leuten in der Partei müsse man sich distanzieren, sagte Henkel weiter. Als Beispiel nannte er den thüringischen Landeschef Björn Höcke.
Höcke war vor kurzem wegen Äußerungen zur NPD parteiintern unter Druck geraten. Er hatte in einem Zeitungsinterview gesagt: »Ich gehe nicht davon aus, dass man jedes einzelne NPD-Mitglied als extremistisch einstufen kann.« Im Mai hatte der AfD-Bundesvorstand ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn angekündigt. Der Immunitätsausschuss des Thüringer Landtags hob am Freitag die Immunität Höckes auf. Hintergrund sind Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Erfurt im Zusammenhang mit der Beschäftigung eines Wahlkreismitarbeiters. Die AfD-Landtagsfraktion kritisierte diese und zwei weitere Immunitätsaufhebungen gegen Fraktionsmitglieder als politische Kampagnen gegen die Partei. Agenturen/nd
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