Mehr Flüchtlinge, Lehrer, Kinder

Niedersachsens Landtag beschließt 200-Millionen-Nachtragsetat - CDU sucht Sollbruchstelle

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
In der letzten Sitzungswoche des niedersächsischen Landtags musste sich SPD-Regierungschef Weil noch einmal viel Kritik an seiner Kultusministerin anhören. Anlass war der umfangreiche Nachtragshaushalt.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) müsse seine Kultusministerin und Genossin Frauke Heiligenstadt vor die Tür setzen, sie sei im Nachtragshaushalt »der größte Unfallschwerpunkt«, habe ihren Geschäftsbereich nicht im Griff: Beispiele aus den Schimpfkanonaden, die CDU und FDP am Dienstagnachmittag im Landtag gegen die Ressortchefin abschossen. Ihr sei es wesentlich anzulasten, dass überhaupt ein Nachtragsetat aufgestellt werden musste. Niedersachsens Regierungskoalition aus SPD und Grünen setzten diesen dennoch wie erwartet mit ihrer Einstimmenmehrheit durch.

Rund 101 von 201 Millionen Euro Mehrausgaben habe Frauke Heiligenstadt zu verantworten, hieß es von Schwarz-Gelb. Trotz aller Warnungen habe sie die Arbeitszeit der Gymnasiallehrer erhöht, vom Oberverwaltungsgericht sei dieser »Feldzug« gestoppt, die Mehrarbeit als verfassungswidrig bewertet worden. Das hat teure Folgen für das Land: Es muss 750 neue Lehrer einstellen, um die Unterrichtsversorgung zu sichern. Mehrkosten: 13,2 Millionen Euro. Verantwortlich sei Ministerin Heiligenstadt auch dafür, dass die Zahl der benötigten Plätze in Kinderkrippen nicht realistisch eingeschätzt wurde. So viele kleine Niedersachsen wollen dort betreut werden, dass in diese Einrichtungen 83 Millionen Euro mehr fließen müssen als veranschlagt.

Vor allem durch Mehreinnahmen bei den Steuern, so erläuterte Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD), werden die unerwarteten Belastungen aufgefangen. Zu ihnen zählen auch 40 Millionen Euro, mit denen Niedersachsen die Kommunen bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen unterstützt. Diese Soforthilfe sei nötig angesichts der massiv angestiegenen Zahl von Asylbewerberinnen und -bewerbern, unterstrich Schneider.

Die Opposition nutze jenen Ausgabenposten als Stoff zum Stänkern. »Kümmerlich« seien die 40 Millionen, kanzelte Unionsmann Thümler die rot-grüne Regierung ab. Er warf ihr »unterlassene Hilfe« vor, die besonders im Aufnahmelager Friedland bei Göttingen sichtbar werde. Das Lager ist für 700 Menschen ausgelegt, zurzeit sind dort mehr als doppelt so viele untergebracht. »Weil Rot-Grün vor dem monatelang vorhergesagten Flüchtlingszustrom die Augen verschlossen hat«, wetterte Thümler.

Dieser Schelte setzte SPD-Finanzexpertin Renate Geuter eine Zahl aus der Vergangenheit entgegen. Nur 5000 Euro Jahrespauschale hatten die Kommunen pro Flüchtling bekommen, als CDU und FDP regierten. Zurzeit sind es 6200 Euro, und dank der Soforthilfe im Nachtragsetat steigt dieser Betrag auf 8500 Euro.

Als »großspurig« wies der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Gerald Heere, die Kritik der CDU zurück. Sie solle sich ihrer eigenen Verantwortung stellen, solle sich zum Beispiel dafür stark machen, dass das diskriminierende Asylbewerber-Leistungsgesetz abgeschafft wird. Anja Piel, Fraktionschefin der Grünen, empfahl Björn Thümler: Er möge Kanzlerin Angela Merkel zum Mittagessen einladen und ihr nahe legen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge personell besser auszustatten - damit Anträge schneller bearbeitet werden.

Piel spielte damit auf Thümlers Äußerungen vor Journalisten an, eine Koalition von CDU und Grünen sei durchaus denkbar, und: Er habe ja schon mit Anja Piel zu Mittag gegessen, dabei allerlei mit ihr besprochen. Auffallend: Gegen grüne Minister gezielte CDU-Attacken, sonst oft im Plenum hörbar, gab es in der Etat-Debatte nicht.

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