Nicht nur Harry, sogar die Themse-Liesel hat’s getan
Die Queen und das Video mit dem Hitlergruß: Elisabeth II. und Bagage werden ihre deutsche Abstammung offenbar nicht los
Es war einmal, da herrschte der Sozialismus auf einem Sechstel der Erde; so der Titel eines hymnischen Buches (1947) des anglikanischen Geistlichen Hewlett Johnson, Dekan an der Kathedrale von Canterbury. Sieben Dezennien Sozialismus. Die Regentschaft von Elisabeth II. ist im siebten Jahrzehnt angelangt. Auch wenn sie seit der Thronbesteigung 1952 einige Kolonien verlor, herrscht sie noch über ein Sechstel der Erde, als Staatsoberhaupt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland sowie von weiteren 31 Staaten und Inselparadiesen. Ihr Imperium umfasst 26 700 000 Quadratkilometer; der zweitgrößte Grundbesitzer, König Abdullah von Saudi Arabien, kann nur schlappe 2 237 991 Quadratkilometer sein eigen nennen. Der Wert des Grundbesitzes der Queen beläuft sich auf unaussprechbare 17 600 000 000 000 Pfund. Errechnet hat dies Heathcote Williams, Dichter und politischer Aktivist mit Kultstatus in England, Autor des Buches »Die Windsors, eine schreckliche nette Familie«.
Mögen die Royals suggerieren, über keine Macht zu verfügen, sie üben eine unheimliche hinter den Kulissen aus. 1975 ließ »Her Majesty« den australischen Premier Gough Whitlam durch ihren Generalgouverneur absetzen; der Labour-Politiker wollte Australien in eine Republik umwandeln. Doch weder solch dreiste politische Einmischung noch der unermessliche Reichtum oder die royalistische Dividende aus mörderischen Rüstungsgeschäften bzw. die Hochzeitseinladungen an Diktatoren, die Menschenrechtsaktivisten in ihren Ländern foltern und ermorden lassen, wie die Könige von Jordanien, Saudi-Arabien oder Bahrain, veranlassten die Briten, dem monarchistischen Spuk auf ihrer Insel endlich ein Ende zu bereiten. Sogar die Enttäuschung über die kaltherzige Reaktion der Queen auf den Tod von Lady Di, was die Gefühle der Briten in untypische Wallungen brachte, führte nicht zum Sturz der im Buckingham Palace residierenden Bagage.
Der jetzige Skandal wird wohl ebenso folgenlos bleiben. Die britische Boulevardzeitung »The Sun«, veröffentlichte einen Film aus den 1930er Jahren, der Elisabeth als Kind mit Schwester Margaret, ihrer Mutter und ihrem Onkel, dem späteren König Edward VIII., im Garten von Schloss Balmoral in Schottland zeigt. Alle vier exerzieren lachend den Hitlergruß. Die Briten sind geschockt. Die Queen ist not amused. Das Königshaus droht mit dem Richter. Der kann jedoch nur einschreiten, wenn Elisabeths Vater, King George VI., die Kamera geführt hat. Denn dann ist der 17 peinliche Sekunden lange Streifen einklagbares Privateigentum.
Vor exakt zehn Jahren überraschte Prinz Harry auf einer Party in Naziuniform mit Hakenkreuzbinde. Ist es der Fluch deutscher Abstammung? Die als ur-britische Marke firmierenden Windsors stammen aus dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha, nannten sich erst im Ersten Weltkrieg um.
Bekannt ist, dass Edward VIII. 1936 nicht nur wegen seiner Liebe für die zwei Mal geschiedene bürgerliche US-Amerikanerin Wallis Simpson zurücktreten musste. Seine Leidenschaft für Hitler offenbarte er sogar noch im Dezember 1940, als die Briten das Trauma des Debakels bei Dünkirchen noch nicht überwunden hatten, im US-amerikanischen Magazin »Liberty«: Es wäre tragisch für die Welt, wenn Hitler gestürzt würde. Drei Jahrzehnte später, 1970, bekräftigte der blaublütige Depp, der seine Flitterwochen im Dritten Reich gefeiert hatte und dessen Privatsekretär ein Anhänger der britischen Mosley-Faschisten war: »Ich habe Hitler nie für einen so schlechten Kern gehalten.« Sein Nachfolger im Amt, sein jüngerer Bruder, stand ihm nicht nach. George VI. sah sein Königreich und das Mandatsgebiet Palästina durch jüdische Flüchtlinge aus Nazideutschland bedroht und bekundete, er wäre »froh, wenn Schritte unternommen werden, um diese Leute am Verlassen ihres Ursprungslands zu hindern«. Außenminister Halifax sandte ein Telegramm an die Botschaft in Berlin, sie solle auf die Hitlerregierung einwirken, »der Auswanderung von Juden Einhalt zu gebieten«.
Elisabeth II. war sieben, als sie den »deutschen Gruß« zeigte und deshalb ein unschuldiges Kind. Ihre jüngere Schwester, Princess Margaret, war kein unschuldiges Kind mehr, als sie eine Vorstellung des Films »Schindlers Liste« Anfang der 1990er Jahre verließ, weil dieser »ein langweiliger Film über Juden« und antideutsch sei, wie sie dem Butler sagte. Als die Themse-Liesel, wie die Berliner die Queen nennen, jüngst Deutschland aufsuchte, zeigten TV-Dokus, wie sie im Krieg in London Trümmer forträumt. Das sind die Bilder, die sich die PR-Industrie der Windsors wünscht: patriotisch, volksnah.
»Gott schütze die Queen, ein faschistisches Regime!«, sangen die Sex Pistols 1977 zum silbernen Thronjubiläum von Elisabeth II. BBC weigerte sich, den Hit zu spielen, die erste Single wurde eingestampft, Royalisten überfielen die Bandmitglieder. Trotzdem eroberte der Song die Charts und war nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Das im Internet zu sehende Video wird ebenso nicht gänzlich verschwinden. Und die Queen herself?
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.