Ein Dorf ist sauer auf die Post

In Büttelborn (Hessen) haben 2000 Menschen schriftlich gefordert, dass ihr Paketbote bleibt

  • Joachim Baier, Büttelborn
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit fast 30 Jahren trägt Helmut Becker in Büttelborn für die Post Pakete aus, er gehört längst zum Dorf. Jetzt soll er weg, der Zustellbezirk wird verändert. Der Nachfolger wird wohl weniger Lohn bekommen.

Wenn Helmut Becker im Büttelborner Ortsteil Worfelden (Hessen) bald sein letztes Paket austrägt, geht eine fast drei Jahrzehnte lange Geschichte zu Ende - gegen den ausdrücklichen Willen der Einwohner. Der 56-jährige Bote soll im August in einem anderen Bezirk Pakete austragen. Mitsamt ihrem Bürgermeister protestieren die Worfeldener gegen die Versetzung. Bisher vergebens.

Die Post sagt, wegen des immer stärker werdenden Online-Handels müssten die Zustellbezirke anders zugeschnitten werden. Beckers Bezirk könne deshalb nicht bestehen bleiben. Das sei auch kein Einzelfall. Immerhin gebe es in Deutschland etwa 100 000 Post- und Paketboten.

Für die Büttelborner hängt die Absicht der Post jedoch mit der Tatsache zusammen, dass Becker beim Post-Versanddienst DHL arbeitet und sein Revier von dem schlechter zahlenden Post-Subunternehmen Delivery übernommen werden soll. Doch warum hängen die Bürger des hessischen Ortes so an dem Boten? Becker gelte als »absolut integer«, sagt Pfarrer Richard Luh von der evangelischen Kirchengemeinde. Er sei »fast ein Familienmitglied«. Er habe geholfen, wo er nur konnte. Sogar Hausschlüssel habe Becker gehabt, damit er Pakete auf alle Fälle abgeben kann, erzählt Bürgermeister Andreas Rotzinger (CDU).

Der Paketbote müsse unbedingt bleiben, sagen viele Einwohner. »Wir finden das einfach frech von der DHL, auf die Stimme eines ganzen Ortes zu pfeifen«, sagt Torsten Hotz, der eine Protestaktion unter dem Motto »Wir wollen Helmut behalten« mit anschob. Doch die Post will bei ihrer Entscheidung bleiben, dass Becker nicht mehr in Worfelden Pakete austrägt, sondern im zehn Kilometer entfernten Mörfelden-Walldorf. »Wir haben nichts gegen Becker«, sagt Post-Sprecher Stefan Heß in Frankfurt. »Er ist ein Härtefall, keine Frage. Aber wir können einem Boten eine Route nicht lebenslang zusichern.« Wäre der Wechsel zu verhindern gewesen, hätte die Post eingelenkt. Dass sich Routen ändern, gebe es vor allem in größeren Städten »alle naselang«.

»Die Arroganz ist nicht nachvollziehbar«, sagt Hotz. »Das ist Ignoranz gegenüber Kunden, wohlgemerkt.« Immerhin fast 2000 Leute hätten für Beckers Bleiben unterschrieben - und damit knapp jeder zweite Einwohner. »Die Post hat mit uns aber nicht persönlich gesprochen.« Das Unternehmen habe nur ein Ziel: Beckers Nachfolger arbeite für das Post-Subunternehmen Delivery, verdiene weniger, sei also billiger. Hoffnung, dass sich das Unternehmen im letzten Moment doch noch bewegt, hat Hotz nicht mehr. Es solle sicherlich kein Präzedenzfall geschaffen werden.

Auch der Bürgermeister steht hinter Becker. »Ich bin ein bisschen verwundert über die Haltung der Post«, sagt Rotzinger. Becker sei weit mehr als ein Paketbote, arbeite mit Herzblut. Dass der Zusteller Hausschlüssel besitze, beweise, dass Becker immenses Vertrauen genieße. Das sei schon bemerkenswert. »Das muss der Arbeitgeber mit abwägen.«

Die Anfrage, mit Becker selbst über seine Situation zu sprechen, prallt an Post-Sprecher Heß ab. »Fragen Sie mich«, sagt er. »Er wird nicht dafür bezahlt, mit den Medien zu kommunizieren.« Beckers Unterstützer sprechen von einem Maulkorb.

Auf alle Fälle wollen die Bürger Worfeldens Becker einen feierlichen Abschied bereiten, bevor er voraussichtlich ab 4. August seine neue Route hat. »Wir werden ihn fragen, wann er das letzte Mal fährt«, sagt Holz. Dann wollen sie noch einmal »Danke« sagen. dpa/nd

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