Burundis Präsidentschaftswahlen befrieden nicht
Oppositionsführer Rwasa plädiert nach seinem Wahlboykott für eine Regierung der Nationalen Einheit mit Amtsinhaber Pierre Nkurunziza
Originell ist die Warnung nicht, begründet schon: Amnesty International sieht in Burundi die Gefahr eines Bürgerkrieges durch das Festhalten an der Macht von Präsident Pierre Nkurunziza und die Gewalt gegen Demonstranten als gegeben.
Die Warnung ist nicht originell, weil der vergangene zwölfjährige Bürgerkrieg erst 2005 durch eine neue Verfassung beigelegt wurde, ohne dass eine Aufarbeitung der Geschehnisse stattgefunden hätte. Und sie ist begründet, weil seit einem gescheiterten Putschversuch im Mai die Gewalt in Burundi zunehmend eskalierte, ohne dass eine politische Lösung näher rückte. Deshalb hatte längst vor der Warnung am Donnerstag von Amnesty die UNO auf ein drohendes Bürgerkriegsszenario hingewiesen.
Der Hintergrund ist die dritte Kandidatur des amtierenden Präsidenten Pierre Nkurunziza bei den Präsidentschaftswahlen, obwohl die Verfassung lediglich zwei Amtszeiten vorsieht. Doch Nkurunziza und seine zur Partei gewandelte Hutu-Rebellengruppe CNDD-FDDD (Nationalkomitee/Kräfte zur Verteidigung der Demokratie) pflegen eine eigene Zählweise, bei der die erste Amtszeit von 2005 bis 2010 nicht berücksichtigt wird, weil sie nicht auf der Grundlage von Wahlen zustande kam, sondern als ausgehandelter politischer Kompromiss zwischen Hutu und Tutsi, den beiden konkurrierenden Ethnien, wobei die Hutu wie auch in Ruanda klar in der Überzahl sind, rund 85 Prozent werden ihr zugeordnet.
Im 1993 - ein Jahr vor dem Genozid im Nachbarland Ruanda - eskalierten die seit den 70er Jahren anhaltenden Machtkämpfe zu einem Bürgerkrieg, dem 300 000 Menschen zum Opfer fielen und der 700 000 in die Flucht trieb. Erst das Friedensabkommen von Arusha 2000, das in die Verfassung von 2005 mündete, sorgte für eine Entspannung der Lage, bis Nkurunziza sich entschied, eine dritte Amtszeit anzustreben.
Die Proteste gegen seine neue Kandidatur wurden bisher systematisch niedergeschlagen. Bei Ausschreitungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften sind seit Ende April mehr als 70 Menschen gestorben. Inzwischen sind über 170 000 burundische Flüchtlinge in den Nachbarländern Tansania, Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo gestrandet, berichtete das UN-Welternährungsprogramm WFP in seinem jüngsten Lagebericht. Jede Woche kämen 2000 dazu.
Die Gewalt fand auch im Verlauf dieser Woche vor und nach dem Urnengang am Dienstag ihre Fortsetzung. Ein Regierungssprecher machte die Gegner des Präsidenten für die Gewalt verantwortlich: Die Demonstranten wollten demnach die Wähler »einschüchtern« und davon abbringen, ihre Stimmen abzugeben.
Durch den Boykott der Präsidentschaftswahlen durch große Teile der Opposition stand der Sieger mit Nkurunziza von vornherein fest. Auf den Wahlzetteln tauchte Oppositionsführer Agathon Rwasa trotzdem noch auf und in und um die Hauptstadt Bujumbura erhielt er viele Stimmen, lag teils sogar vor seinem Widersacher, der seine Bastionen vor allem auf dem Land hat.
Wie die Wahlkommission am Freitagnachmittag mitteilte, entfielen 69 Prozent der Stimmen auf den amtierenden Nkurunziza bei 69 Prozent.
Rwasa, einst Chef der Hutu-Guerillagruppe FNL (Kräfte der Nationalen Befreiung), die sich dem Friedensprozess am längsten widersetzte, schlägt nun vor, eine Regierung der nationalen Einheit zu formen, um einen Bürgerkrieg in Burundi abzuwenden. Die FNL kämpfte noch bis 2008 gegen Nkurunziza. um nach der Waffenabgabe eine politische Partei zu gründen. Rwasa trat nun als Kandidat der Oppositionskoalition »Amizero y ’Abarundi« an, bevor er sich zum Boykott entschied, weil er freie und faire Wahlen für nicht gegeben hielt.
Internationale Beobachter bezeichneten die Wahl als weder frei noch fair. Im Staatsrundfunk hieß es, der Vorsitzende eines Wahlbüros sei beim Vollstopfen einer Urne mit Stimmzetteln überrascht und daraufhin der Polizei übergeben worden.
Die Afrikanischen Union (AU) hatte zuvor dazu aufgerufen, den Wahlgang zu verschieben. Sie hat mittlerweile Militärbeobachter geschickt, die die Entwaffnung aller Milizen observieren sollen. Derweil wirft die Opposition der CNDD-FDD Jugendorganisation Imbonerakure vor, ihre Mitglieder seien vom Geheimdienst trainiert und bewaffnet worden. Auf der anderen Seite sind Teile der Armee desertiert und formieren sich in den Bergen im Norden. Sie wollen eine neue Vereidigung von Nkurunziza am 26. August verhindern.
»Diese Gesellschaft befindet sich in einer schweren Krise«, sagte Innocent Muhozi von der Presserechtsorganisation OPB im Rundfunksender RFI. »Wir stehen am Rande eines neuen Kriegs - und müssen aufhören so zu tun, als ob alles in Ordnung wäre.«
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