Genscher fordert Neuanfang des Westens mit Putin

Ex-Außenminister: »Wenn jemand schwächer wird, muss man ihm die Hand geben«

  • Lesedauer: 2 Min.

München. Angesichts der sich verschärfenden Kämpfe in der Ukraine hat der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) zu einem Neuanfang in den Beziehungen zu Moskau aufgerufen. Die »alte Politik der Konfrontation« sei unzeitgemäß, sagte Genscher in einem Gespräch mit dem Magazin der »Süddeutschen Zeitung«. Die westlichen Sanktionen gegen Russland hätten nicht die Wirkung gezeigt, die sich die Initiatoren erhofft hätten.

»Wir leben in einer globalisierten Welt und brauchen die Kraft aller, um die Probleme um uns herum zu lösen«, mahnte Genscher. Er habe den russischen Präsidenten Wladimir Putin als »durchaus pragmatisch« erlebt. Es sei deshalb am Westen, auf das wirtschaftlich und politisch geschwächte Russland zuzugehen. »Wenn jemand schwächer wird, muss man ihm die Hand geben, das wird er nicht vergessen. Wenn man die Hand entzieht, wird er auch das nicht vergessen.«

Genscher, der von 1974 bis 1992 Außenminister war, warb für einen intensiveren Dialog. Putin habe eine nüchterne Sprache, »das mag es unserer Bundeskanzlerin erleichtern, mit ihm auch schwierige Gespräche zu führen«. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) könne Putin »im direkten Gespräch näherkommen als andere Staats- und Regierungschefs«.

Dort wo Ost und West zusammenarbeiteten, seien Erfolge möglich, sagte Genscher dem »SZ-Magazin«. Das habe vor Kurzem das Atomabkommen mit Iran gezeigt. »Die Russen hätten das locker blockieren können, wenn sie gewollt hätten. Haben sie aber nicht.« Genscher zeigte sich deshalb überzeugt: »Wenn beide Seiten es wollen, kann man.« Dies bedeute nicht, dass der Westen Russlands völkerrechtswidrige Annexion der Halbinsel Krim akzeptieren müsse. »Aber wenn man auf die andere Seite Einfluss nehmen will, muss man mit ihr reden. Und zwar ohne Voraussetzungen.«

Merkel und Frankreichs Staatschef François Hollande beraten am Montag in Berlin mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko über den Ukraine-Konflikt.Frankreich und Deutschland bemühen sich seit Monaten um eine Beilegung des seit April 2014 andauernden Konflikts in der Ostukraine. Im Februar unterzeichneten die ukrainische Regierung und die prorussischen Rebellen in der weißrussischen Hauptstadt Minsk unter Vermittlung von Merkel und Hollande sowie in Anwesenheit Putins ein Friedensabkommen. Dieses sieht insbesondere eine Waffenruhe vor, die seitdem aber immer wieder gebrochen wird. AFP/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -