Auerochse, Wisent, Nazi und Co.

Petition kritisiert Ehrung von früherem Direktor und NS-Funktionär im Zoologischen Garten

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Berliner Zoo steht seit längerem für die zögerliche Aufarbeitung seiner Vergangenheit in der Kritik. Eine Petition stört sich an der Büste des ehemaligen Direktors und Göring-Freundes Lutz Heck.

Versteckt zwischen Sträuchern, nicht unweit des Raubtierhauses, betrachten die Augen des Lutz Heck skeptisch die Vorbeiziehenden. Der Großteil der umherschlendernden Zoobesucher nimmt die Bronzebüste des von 1932 bis 1945 amtierenden Berliner Zoodirektors jedoch kaum wahr. Viel zu aufregend sind die umherspringenden Wüstenfüchse sowie der knurrende Jaguar auf der anderen Seite. Auf die Frage, was sie denn vom Direktor halten würden, reagieren die Besucher mit einem Schulterzucken. »Noch nie von ihm gehört«, sagt eine junge Frau.

Ein Grund für die Unkenntnis könnte sein, dass der Zoo auf den ausgestellten Büsten der ehemaligen Direktoren keine biografischen Informationen vermerkt hat. Normalerweise wäre dies den meisten Gästen des Zoos egal. Bezüglich des Wirkens von Lutz Heck haben die fehlenden Auskünfte jedoch Unmut auf sich gezogen. Der Psychologe und Autor Colin Goldner war bei Recherchen zu Haltungsbedingungen von Menschenaffen auf die Büste Hecks gestoßen und fand es »skandalös«, dass einem »führenden Nazi« hier ein »Ehrenmal« gesetzt worden war. Er startete als Konsequenz eine Onlinepetition, die bisher 219 Unterzeichner fand und noch bis zum November läuft. Goldner hatte zuvor wissenschaftliche Recherchen bezüglich der braunen und kaum aufgearbeiteten Vergangenheit der deutschen Zoologie betrieben.

Tatsächlich ist die Person Heck kein unbeschriebenes Blatt: Ab 1933 »Fördermitglied der SS«, trat er 1937 der NSDAP bei. Als Vertrauter von Hermann Göring teilte er mit diesem vor allem die Leidenschaft für die Großwildjagd. Göring finanzierte höchstpersönlich Hecks »Experimente« zur Rückzüchtung von Auerochsen und Wisenten. Anlässlich des »Führergeburtstages« wurde Heck 1938 der Professorentitel verliehen, zwei Jahre später wurde er Leiter der obersten NS-Naturschutzbehörde. Göring schenkte Heck 1935 zudem ein großes Gelände aus dem preußischen Staatsbesitz, auf dem ein »deutscher Zoo« mit »deutschen Tieren« eingerichtet werden sollte. Die Idee des »deutschen Zoos« stammte bereits von Ludwig Heck, vorheriger langjähriger Zoodirektor Berlins und Lutz Hecks Vater.

Der Verband deutscher Zoodirektoren schreibt auf seiner Webseite, dass trotz ihrer »unbestreitbar großen Verdienste« die Beziehung der Hecks zum Dritten Reich eine Form hatte, die über Mitläuferschaft und deutschnationales Denken »weit hinaus« ging. Nach Heck Junior wurde nach Kriegsende gar gefahndet, da er aus der Sowjetunion Tiere gestohlen haben soll.

Mangelnder Aufarbeitungswille wird dem Zoo nicht nur bezüglich der Heck-Dynastie vorgeworfen: Nach der Machtergreifung der Nazis betrieb der Zoo den Ausschluss von seinen jüdischen Aktionären, Aufsichtsratsmitgliedern und Besuchern »vorauseilend und unter Zurateziehung von NS-Aktivisten«, sagt die Antisemitismusforscherin Monika Schmidt. Auf die freigewordenen Führungspositionen kamen beispielsweise ein »Rassehygieniker« sowie ein »Arisierungsspezialist« der Dresdner Bank. Im Vorstand des Aktienvereins saß seit 1936 der SS-Offizier Ewald von Massow. Auch wurden bis in die Nazizeit hinein rassistische »Völkerschauen« im Zoo abgehalten, auf denen »wilde Menschen« dem angeblich belustigten Publikum präsentiert wurden.

Der Zoo hat zur Aufarbeitung der NS-Geschichte bisher eine Gedenktafel angebracht sowie eine Studie von Schmidt über die Ausgrenzung seiner früheren jüdischen Aktionäre finanziert. Schmidt sagt, sei es ein »Gebot der Menschlichkeit« und der »historischen Verantwortung«, dass der Zoo eine »Geste der Wiedergutmachung« gegenüber den jüdischen Nachkommen findet. »Es ist keine Zeit zu verlieren.« Schmidt bemerkt weiter, dass die Zooleitung bei dieser Aufgabe in den vergangenen Jahren »bereits weiter« gewesen wäre. In einem Schreiben an Colin Goldner versicherte auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), dass er die Angelegenheit seiner Petition »ernst nehme«. Er habe die Sache »zur Bearbeitung« an die Senatsverwaltung für Finanzen weitergeleitet. Der Zoo selbst wollte sich im »nd« dazu nicht äußern. Der Aufsichtsrat müsse sich erst beraten, hieß es.

Buchvorstellung »Die jüdischen Aktionäre des Zoologischen Gartens zu Berlin«, 24. September, Literaturforum Brecht-Haus, 19 Uhr, Chausseestraße 125, Mitte, 5 Euro, ermäßigt 3 Euro.

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