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Als sich Flüsse und Bäche rot färbten ...

Laksmi Pamuntjak erinnert in ihrem großen Epos über Liebe und Gewalt an den blutigen Militärputsch in Indonesien 1965

Warum sind manche Menschen glücklich, andere nicht? Wie viel Leid erträgt ein Mensch? Gibt es so etwas wie eine Vorsehung? Kann man dem Schicksal entfliehen? Warum sind Menschen grausam zueinander? Bedeutet lieben stets auch zu leiden?


Laksmi Pamuntjak: Alle Farben Rot.
A. d. Indon. v. Martina Heinschke.
Ullstein. 671 S., geb., 24 €.


Das Hindu-Epos »Mahabharata« erzählt von drei Königstöchtern, strahlend-schön wie Diamanten: Amba, die älteste, war mit König Salwa verlobt, den sie weder liebte noch hasste. Mit ihren jüngeren Zwillingsschwestern Ambika und Ambalika wird sie vom Krieger Bhisma entführt, der sich in Amba verliebt wie sie sich in ihn. Aus Liebe gibt er sie König Salwa zurück, der sie indes aus gekränktem Stolz nicht mehr will. Ambas Herz wird zu Stein.

Bei der Namensgebung ihrer Kinder lassen die Javaner äußerste Vorsicht walten, um das Schicksal nicht herauszufordern. Einer Amba begegnet man in Indonesien selten, dahingegen oft einer Lakshmi, Göttin der Liebe, des Glücks und Wohlstandes. Laksmi Pamuntjak nannte ihre Heldin, Tochter eines nicht ans Karma glaubenden Schuldirektors, nach der unglücklichen Königstochter des »Mahabharata«. Wie jene hat auch Pamuntjaks Amba es im Leben ungleich schwerer als ihre Zwillingsschwestern Ambika und Ambalika. Den von den Eltern auserkorenen Verlobten Salwani Munir, Salwa gerufen, einen pflichtbewussten, aber in hoch politischen Zeiten apolitischen Pädagogikstudenten, liebt und hasst sie nicht. Sie ist belesen, wissbegierig, studiert an der philosophischen Fakultät von Yogyakarta und versucht die auf dem Campus aufeinanderprallenden und von Insel zu Insel fliegenden Losungen und Schlagwörter zu verstehen: Revolution, Konterrevolution, Sozialismus, Imperialismus, Neokolonialismus. Da kreuzt eines Tages ein Mann ihren Weg, beeindruckend groß und weltgewandt, der in Leiden und Leipzig Medizin studiert hat und sich um das Wohl der Armen kümmern will. Dr. Bhimsa Rashid ist nicht nur von Brecht begeistert. »Er und Rosa Luxemburg zeigten mir, dass man an etwas glauben kann«, sagt er zu Amba.

Die beiden werden ein Paar, scheinen unzertrennlich. Bis zu jenem 1. Oktober 1965. Die Sieben-Uhr-Nachrichten vermelden, dass in der Hauptstadt Jakarta linke Offiziere die Macht ergriffen hätten, um einen Putsch rechter Militärs gegen Präsident Sukarno und dessen Nasakom, die beschworene, jedoch brüchige Einheit von Nationalismus, Religion und Kommunismus, zuvorzukommen. Es folgt der Gegenschlag unter General Suharto. Der Inselstaat wird von einer Orgie der Gewalt überzogen, Flüsse und Bäche färben sich rot vom Blut der Kommunisten und vermeintlicher Sympathisanten. Amba und Bhimsa werden bei einem Überfall auf eine kommunistische Kundgebung getrennt. Ein halbes Jahrhundert später macht sich eine alte, stolze und schöne Frau auf nach Buru, einer berüchtigten Gefangeneninsel, um den Geliebten wiederzufinden.

Laksmi Pamuntjak hat ein grandioses Epos über eine große Liebe in grausamer Zeit verfasst.

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