Winterkorns Rückrufaktion
Ex-Vorstandsvorsitzender soll alle Posten bei Volkswagen aufgeben
München. Nach seinem Rücktritt als VW-Vorstandsvorsitzender im Zuge der Abgasaffäre soll Martin Winterkorn einem Bericht zufolge auch alle weiteren Ämter bei Volkswagen aufgeben. Nach Informationen des Rechercheverbunds von »Süddeutscher Zeitung«, NDR und WDR ist damit in den nächsten Tagen zu rechnen. Bestätigungen von Konzernseite über den bevorstehenden Rückzug gab es am Montag zunächst nicht.
Trotz seines Rücktritts als Konzernchef ist Winterkorn im Firmengeflecht des Wolfsburger Autokonzerns sehr präsent - zumindest auf dem Papier. Er ist Aufsichtsratsvorsitzender der VW-Töchter Audi sowie der Lkw-Sparte Truck & Bus. Einfaches Mitglied ist er zudem bei der VW-Tochter Porsche und der Porsche Holding. Letztere hat ihren Sitz in Salzburg und ist nach eigenen Angaben das größte Automobilhandelsunternehmen in Europa. Seit 2011 ist die Porsche Holding eine 100-prozentige Tochter von VW.
Der einflussreichste Posten, den der langjährige Topmanager Winterkorn nach wie vor besitzt, ist der Vorstandsvorsitz der Porsche Holding SE. Das ist eine Finanzgesellschaft, in der die Familien Porsche und Piëch ihre Anteile an der Volkswagen AG gebündelt haben. Sie verfügen über rund 52,2 Prozent der Stimmrechte durch VW-Stammaktien. Bliebe Winterkorn Chef der Familienholding, dann hätte er weiterhin großen Einfluss auf Volkswagen und auch auf seinen Nachfolger als Vorstandsvorsitzender bei VW, Matthias Müller. Müller ist in der Holding Vorstand für Strategien und Unternehmensentwicklung und hat dort Winterkorn derzeit noch als Chef vor sich.
Ein Sprecher der Porsche Holding SE erklärte auf Anfrage, ihm lägen »keine Erkenntnisse« vor, dass bereits Entscheidungen über den Rückzug Winterkorns als Vorstandsvorsitzender gefallen seien. Die VW-Töchter Audi und Porsche waren auf Nachfrage zunächst nicht zu erreichen; VW Truck & Bus äußerte sich zunächst nicht.
Unter Berufung auf Konzernkreise hatte der Rechercheverbund berichtet, Winterkorn habe seine Lage analysiert und werde sich nun vollständig zurückziehen. Zuvor müssten noch einige Formalien geklärt werden. Das Land Niedersachsen, zweitgrößter Aktionär von Volkswagen, habe Winterkorn zu verstehen gegeben, dass er aus allen Ämtern ausscheiden müsse. Den »kompletten Rückzug« verlangten demnach auch Vertreter der Gewerkschaft IG Metall.
Mitte September war bekannt geworden, dass VW in den USA Abgaswerte von Dieselfahrzeugen durch eine Software manipuliert hatte, die bei Tests zu einem niedrigeren Schadstoffausstoß als im Normalbetrieb führte. Winterkorn war am 23. September - einige Tage nach Bekanntwerden der Abgasaffäre - zurückgetreten. Seinen Rücktritt hatte er damit begründet, dass Volkswagen auch personell einen Neuanfang brauche. Winterkorn beteuerte, keine Kenntnis von der Manipulation der Abgaswerte gehabt zu haben. AFP/nd
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