Bis heute keine Aufarbeitung

Indonesien 1965

  • Anett Keller
  • Lesedauer: 2 Min.

Die antikommunistischen Massaker in Indonesien vor 50 Jahren mit rund einer Million Todesopfern zählen zu den furchtbarsten Verbrechen des 20. Jahrhunderts. Zuvor hatte die ehemalige holländische Kolonie und nach ihrer Unabhängigkeit blockfreie junge Nation Indonesien mit der Partai Komunis Indonesia (PKI) die drittgrößte kommunistische Partei der Welt beherbergt.

Ein Machtkampf zwischen linken und rechten Kräften im Militär gipfelte am Morgen des 1. Oktober 1965 in der Entführung und Ermordung von sechs Generälen und einem Leutnant durch linke Offiziere (Bewegung 30. September). Diese handelten nach eigenen Angaben, um einem geplanten Putsch der Rechten gegen Präsident Sukarno zuvorzukommen. Generalleutnant Suharto, damals Kommandeur der Strategischen Reserve, gab daraufhin das Startsignal zur Konterrevolution. Er bezichtigte die PKI und ihr nahe stehende Organisationen wie die Frauenorganisation Gerwani der Täterschaft und ließ über Militärmedien Gerüchte über die angebliche Folter und Verstümmelung der getöteten Generäle durch KommunistInnen verbreiten (die im Widerspruch zum Autopsieergebnis stand).

Militärs und Milizen zogen monatelang mordend und plündernd durch das Land. Hunderttausende Menschen wurden - viele für mehr als zehn Jahre und ohne Gerichtsverfahren - in Gefängnisse und Arbeitslager gesteckt, wo sie Folter, systematische sexuelle Gewalt, Zwangsarbeit und Hunger erleiden mussten. Indonesiens erster Präsident Sukarno wurde von Suharto Stück für Stück entmachtet. 1967 setzte sich Suharto auch offiziell an Sukarnos Stelle. Suharto wurde bei der Niederschlagung der linken Bewegung von den USA und ihren westlichen Verbündeten aktiv unterstützt. Auch die Bundesrepublik pflegte beste Beziehungen zur 32 Jahre dauernden Entwicklungsdiktatur von General Suharto.

1998 trat Suharto zurück. Seitdem können die Überlebenden freier ihre Stimme erheben. Die indonesische Zivilgesellschaft hat zahlreiche Initiativen ins Leben gerufen, um die Erinnerung wach zu halten und die Straflosigkeit zu beenden. Der Staat hingegen zeigt an Aufarbeitung wenig Interesse: Keiner der Verantwortlichen für diesen politischen Genozid wurde bislang juristisch zur Verantwortung gezogen. Anett Keller

Anett Keller ist Herausgeberin des Buches »Indonesien 1965ff. - Die Gegenwart eines Massenmordes« (regiospectra, 214 S., br., 19,90 €).

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