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Unternehmen müssen Lieferkette offenlegen

Michael Reckordt vom AK Rohstoffe fordert verbindliche Transparenz von der Mine bis zum Endprodukt

In der EU wird darüber diskutiert, ob Unternehmen künftig berichten müssen, wo die von ihnen genutzten Rohstoffe herkommen. Transparenzpflichten sollen unter anderem helfen, dass keine Konfliktmineralien, mit denen sich Bürgerkriegsarmeen finanzieren, mehr in Umlauf kommen.

Deutschland muss nahezu alle Industriemetalle und einen Großteil der Energierohstoffe importieren. Inwiefern sind hiesige Unternehmen verstrickt in Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen im Zusammenhang mit der Förderung insbesondere in Asien, Lateinamerika und Afrika?
Direkt nur sehr wenig, weil wir keine großen Bergbaukonzerne haben. Aber indirekt gibt es immer wieder Verstrickungen über die Lieferkette von deutschen Unternehmen. So ist der Chemiekonzern BASF Großkunde des Platinminenbetreibers Lonmin in Südafrika, wo es vor einigen Jahren ein Massaker an Arbeitern gab. RWE und EnBW wiederum importieren Steinkohle aus Kolumbien, wo es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen kommt.

Die Bundesregierung hat vor einigen Jahren zusammen mit der Industrie eine Rohstoffstrategie entwickelt. Hauptziel ist die Sicherung der Versorgung mit weltweit knapper werdenden Rohstoffen. Will man von Menschenrechtsfragen nichts wissen?
Es geht sehr einseitig um die Versorgungssicherheit für die deutsche Industrie. Zwei Dinge kommen viel zu kurz: zum einen, dass der Rohstoffverbrauch in Deutschland viel zu hoch ist und wir überlegen müssen, wie wir diesen durch Recycling und sparsame Produktionsverfahren senken können. Zum anderen müssen Unternehmen sicherstellen, dass sie mit ihrem Rohstoffbezug keine Menschenrechtsverletzungen unterstützen und über ihre Lieferketten keine Konflikte mitfinanzieren.

Die Industrie selbst behauptet, die Lieferketten seien so komplex, dass die Unternehmen gar keinen Überblick hätten. Was erwidern Sie dem?
Es gibt unterschiedliche Aufgaben für Konzerne. Deutsche Schmelzen können sehr wohl nachvollziehen, von wo sie ihre Rohstoffe beziehen, und müssten sicherstellen, dass sie keine Konflikte finanzieren. Auch was den Downstream-Bereich von der Schmelze bis zum Endprodukt angeht, müssten hiesige Unternehmen Schritte einleiten, um die Verbindung zwischen Rohstoffbeschaffung und Konfliktfinanzierung zu durchbrechen. Das Risikomanagement, das es ja in Fragen der Versorgungs- oder Preissicherheit längst gibt, müsste auch auf menschenrechtliche Verpflichtungen über᠆tragen werden. In den USA, wo es bereits ein verpflichtendes Gesetz gibt, sehen wir, dass dies mit viel Aufwand sehr wohl möglich ist.

Heißt dies, die Unternehmen könnten sehr wohl über ihre Rohstoffe Bescheid wissen, doch sie interessiert nur, diese möglichst schnell zu möglichst niedrigen Preisen zu beziehen?
Genau. Menschenrechte kommen erst an dritter, vierter oder fünfter Stelle und stehen nicht im Zentrum der Unternehmensverantwortung.

Während es in den USA den Dodd-Frank-Act gibt, der Unternehmen gewisse Transparenzpflichten auferlegt, wird in der EU noch diskutiert. Die EU-Kommission hat einen recht laschen Richtlinienvorschlag verabschiedet, das Europaparlament verlangt hingegen strenge Regelungen. Welche Rolle spielt die Bundesregierung in dem Prozess?
Obwohl der Dodd-Frank-Act sicherlich nicht perfekt ist, hat er doch eine gewisse Signalwirkung gehabt. Wir hoffen, dass in der EU ähnlich des Vorschlags des Europaparlamentes Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferkette verbindlich etabliert werden. Die Bundesregierung ist im Grunde noch dabei, sich eine Meinung zu bilden. Wir sind sehr gespannt, wie die Position dann aussehen wird. Aus der SPD gibt es positive Signale, bei der CDU sieht dies jedoch anders aus.

Ist die Streitfrage, ob Unternehmen wirklich verpflichtet werden, transparent über ihren Rohstoffbezug zu berichten, oder ob man auf Freiwilligkeit setzt?
Es geht um zwei verschiedene Sorgfaltspflichten: Im Upstream-Bereich, also von der Mine bis zur Schmelze, muss man exakt nachvollziehen können, woher der Rohstoff kommt. Hier geht es darum, dass Schmelzen nicht länger dazu beitragen, dass sich bewaffnete Milizen über den Rohstoffabbau oder -handel finanzieren. Es geht in der Transparenzdebatte noch nicht mal um menschenrechtliche Standards. Für den Downstream-Sektor, also bei der Weiterverarbeitung bis zum Endprodukt, wo die meisten deutschen Unternehmen betroffen sind, geht es darum, etwaige Risiken zu erkennen, über diese offen zu berichten und zu versuchen, diese zu minimieren. Das heißt nicht unbedingt, dass man aus einer Konfliktregion keine Rohstoffe mehr bezieht, sondern dass man vor Ort Strukturen mit aufbaut oder gemeinsam mit Partnern versucht, dass genau dieser Link zwischen der Konfliktfinanzierung und der Rohstoffbeschaffung durchbrochen wird.

Transparenz bei Konfliktmineralien wäre aber nur ein erster Schritt.
Im Rohstoffbereich hinken wir der Diskussion etwa im Textil- oder Nahrungsmittelsektor um Jahre hinterher. Derzeit stehen wir an folgender Stelle: Wir diskutieren über Transparenzpflichten, die Unternehmen dazu bringen sollen, endlich mal nachzusehen, ob sie Rohstoffe nutzen, mit denen blutige Bürgerkriege oder Konflikte im Kongo, in Myanmar, Afghanistan oder Kolumbien finanziert werden. Wir werden es nicht von heute auf morgen schaffen, Transparenz entlang der gesamten Lieferkette zu erlangen oder gar dafür zu sorgen, dass zumindest die schlimmsten Formen von Missbrauch beendet werden. Aber das Beispiel USA zeigt, dass wir es über Transparenzpflichten mehr und mehr schaffen können, dass sich die Unternehmen damit beschäftigen, welche Auswirkungen ihr Rohstoffkonsum hat. Bis sie sich aber auch über Verstöße gegen Umwelt- und Sozialstandards Gedanken machen, ist es dann immer noch ein weiter Weg.

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