Der Neue profitiert vom Alten

Die IG Metall wählte sich einen neuen Vorstand und zeigte Geschlossenheit

  • Jörg Meyer, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Gewerkschaftslinke Hans-Jürgen Urban schneidet bei der Vorstandswahl der IG Metall besser ab als das Führungsduo. Mit Christiane Benner ist erstmals eine Frau in der Spitze vertreten.

Die Wahlen sind gelaufen, die IG Metall hat ein neues Führungsduo. Der neue Erste Vorsitzende heißt Jörg Hofmann. Er wurde von 91,3 Prozent der Delegierten in Frankfurt am Main gewählt. Ihm zur Seite steht mit Christiane Benner (91,9 Prozent) erstmals eine Frau an der Spitze der IG Metall.

Die Gewerkschaft zeigt sich in diesen Wahlergebnissen geschlossen. Die Streits und Flügelkämpfe, die in den letzten Jahren immer wieder aufflammten, scheinen befriedet, die Landesbezirke konnten sich in den letzten Jahren an vielen Stellen einigen, wovon die relativ entspannte Wahl auch ein Resultat ist.

Der neue Erste praktiziert nicht den harten Führungsstil, der seinem Vorgänger Wetzel nachgesagt wird. Neben einigen wegweisenden Modellabschlüssen in Baden-Württemberg konnte Tarifexperte Hofmann aber von Wetzels politischen Erfolgen profitieren, die sich jetzt bemerkbar machen.

Detlef Wetzel hatte die Gewerkschaft strukturell stark umgebaut, beispielsweise in der Frankfurter Verwaltung viele Stellen abgebaut, um mehr Mittel in die Fläche zu pumpen. Die geplante Vorstandsverkleinerung von sieben auf fünf Mitglieder war im Jahr 2011 vom Gewerkschaftstag jedoch gekippt worden. Darum hatte es heftige Streits innerhalb der Organisation gegeben, weil besonders die kleineren Landesbezirke der IG Metall befürchteten, nicht mehr richtig vertreten zu sein und kein Gegengewicht gegen Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen mehr zu haben. Wetzel bekam die Quittung bei seiner Wahl zum Ersten Vorsitzenden auf einem außerordentlichen Gewerkschaftstag 2013. Mit 75,51 Prozent erreichte er ein historisch niedriges Ergebnis, und weil der Nordrhein-Westfale Wetzel so schlecht abschnitt, konnte auch sein damaliger Vize aus Baden-Württemberg, Jörg Hofmann, nicht viel mehr Stimmen bekommen.

Doch Wetzels Politik scheint nun aufzugehen. Die IG Metall steht so gut da, wie seit Jahren nicht mehr, kann 2015 zum fünften Mal in Folge einen Mitgliederzuwachs verzeichnen, die Kassen sind voll. Kürzlich startete die IG Metall das größte Organizingprojekt ihrer Geschichte: Die Zahl der projektgebundenen Gewerkschaftssekretäre wird flächendeckend stark erhöht. Zudem wird die Dauer der Erschließungsprojekte von drei auf fünf Jahre erhöht. Das kostet eine Menge Geld, aber das hat die IG Metall. Und dass die Gewerkschaft so gut dasteht bescherte dem alten und neuen Hauptkassierer, Jürgen Kerner, mit 98,5 Prozent ein »sozialistisches Ergebnis«, wie die Kongressleitung nach dessen Wahl feststellte.

Der parteilose Gewerkschaftslinke Hans-Jürgen Urban (93,8 Prozent) wurde von mehr Delegierten gewählt als die Führungsspitze. Er ist äußerst beliebt, einige Metaller nennen ihn »unseren heimlichen Vorsitzenden«. Seine Rede zum Geschäftsbericht, in der er unter anderem von einer Welt jenseits der kapitalistischen sprach, erntete den mit Abstand lautesten Applaus. Das liegt sicherlich nicht daran, dass die IG Metall sich qua Satzungsänderung der Revolution als Organisationsziel verschreiben will. Dafür sind die Pragmatiker in der Überzahl. Aber sie müssen den linken Flügel der Gewerkschaft nicht mehr bekämpfen, sondern können seinen Beitrag zum Gleichgewicht in der IG Metall auch anerkennen. Dass Urban indes an deren Spitze aufsteigt gilt als unwahrscheinlich. Zu links, kein betrieblicher Hintergrund, kein Schwabe ...

Den siebenköpfigen Vorstand komplettieren Wolfgang Lemb (79,2 Prozent), Irene Schulz (82,3 Prozent) und Ralf Kutzner (78,1 Prozent).

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