Portugals Linke ausgebootet
Konservativer Passos Coelho zum Premier ernannt / Opposition will Minderheitsregierung stürzen
Die Befürchtung wurde zur Gewissheit: Portugals Staatspräsident Anibal Cavaco Silva hat den bisherigen Ministerpräsidenten Pedro Passos Coelho am Donnerstagabend erneut mit der Regierungsbildung beauftragt. Der Konservative hat so die eigene Vorgabe für die Sondierungsgespräche nach der Parlamentswahl vor drei Wochen missachtet. Er hatte auf eine »stabile Regierung« gepocht. Dies war jetzt aber nicht ausschlaggebend: »Unter Beachtung, dass in den letzten 40 Jahren der portugiesischen Demokratie stets der Wahlsieger die Verantwortung zur Regierungsbildung übertragen bekam, habe ich Pedro Passos Coelho zum Ministerpräsidenten ernannt«, begründete der Staatschef seinen Entschluss in einer Fernsehansprache.
Parteifreund Passos Coelho soll weiterregieren, obwohl die von ihm geführte Koalition »Portugal voran« (PàF) die absolute Mehrheit bei der Parlamentswahl am 4. Oktober klar verloren hatte. Das Bündnis kam auf 38,6 Prozent der Stimmen, es verfügt über 107 der insgesamt 230 Sitze im Parlament und kann damit nur eine Minderheitsregierung bilden.
Die hat schon jetzt kaum Chancen auf eine Zukunft. Die linke Opposition unter Führung der Sozialistischen Partei (PS) will Passos Coelho zu Fall bringen. Die PS beschloss in der Nacht zum Freitag in Lissabon, einen entsprechenden Antrag zu Beginn der neuen Legislaturperiode einzubringen. PS-Sprecher João Soares sagte: »Diese Regierung ist nicht überlebensfähig.«
PS-Chef António Costa beansprucht ebenso den Posten des Regierungschefs und hatte Passos Coelho für eine Große Koalition eine Absage erteilt. Costa will mit einem Linksbündnis vom derzeitigen Sparkurs abrücken. Er hatte sich mit dem marxistischen Linksblock (BE) und der grün-kommunistischen CDU auf eine Zusammenarbeit geeinigt.
Damit könnte der PS-Vorsitzende auch die Vorgabe von Cavaco Silva umsetzen, »eine stabile Regierung« zu bilden, die zudem den »Wählerwillen respektiert«. Das Bündnis, das die Austeritätspolitik beenden will, hat eine klare Stimm- und Sitzmehrheit im Parlament.
Ihre Vertreter äußerten denn auch ihren Unmut über Cavaco Silvas Entscheidung. Der Kommunisten-Chef Jerónimo de Sousa beschuldigte den Präsidenten am Freitag, wie der Repräsentant der Konservativen zu handeln. Der Staatschef gehe auf »Konfrontation mit der Verfassung« und »erpresst die Parlamentarier«. Er sei für die nun eintretende »Instabilität« und die daraus rührenden »Konsequenzen« verantwortlich.
Passos Coelho muss jetzt eine Regierung bilden und zehn Tage nach ihrem Amtsantritt ein Programm vorlegen. Sollte dieses von den Abgeordneten im Parlament abgelehnt werden, muss die Regierung zurücktreten. Neuwahlen wären die Folge. Die können jedoch frühestens im Mai nächsten Jahres stattfinden. Sie müssen vom Staatschef angeordnet werden. Dies ist ihm innerhalb der letzten sechs Monate seiner Amtszeit aber nicht erlaubt - schon Ende Januar steht die Präsidentenwahl an. Wenn der neue Staatschef dann eine vorgezogene Parlamentswahl ausruft, würden etwa weitere drei Monate vergehen, bis es tatsächlich zum Urnengang kommt.
Längst ist die Auseinandersetzung unter den portugiesischen Parteien eine europäische Frage. Der sozialdemokratische Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, hatte es als »verständlich« und »wünschenswert« bezeichnet, dass Costa neuer Regierungschef wird. Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Europas, Sergei Stanischew, hält ein Linksbündnis für den »einzigen Weg«, um Stabilität zu garantieren. Ganz anders sehen das die Europäischen Konservativen. Bei ihrem Parteikongress in Madrid stärkten sie Passos Coelho und dem spanischen Premier Mariano Rajoy den Rücken. Mit aller Macht soll verhindert werden, dass Rajoy dasselbe Schicksal widerfährt. Bundeskanzlerin Angela Merkel rief aus: »Es lebe Mariano!« Seite 6
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.