Günstiges Heim in der Innenstadt
Stadtsoziologe: Ohne Gemeinnützigkeit auf dem Bausektor kann die Wohnungsnot nicht beseitigt werden
In Deutschland fehlen rund 800 000 Wohnungen. Um den Bestand zu sichern und den steigenden Bedarf durch Zuwanderung besonders in Städte und Ballungsräume abzudecken, müssten in der kommenden Dekade mindestens 400 000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden, ein großer Teil davon im unteren Preissegment. Ohne die Einführung eines neuen, gemeinwohlorientierten Sektors beim Wohnungsbau ist diese Aufgabe nicht zu schaffen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die der Berliner Stadtsoziologe Andrej Holm von der Humboldt-Universität im Auftrag der Linksfraktion im Bundestag erarbeitet hat.
Heidrun Bluhm, bau- und wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion, bezeichnete es am Freitag bei der Vorstellung der Studie in Berlin als historischen Fehler, dass der Bundestag 1990 die Wohnungsgemeinnützigkeit abgeschafft habe. Dies müsse angesichts der Knappheit an bezahlbarem Wohnraum besonders in Ballungsräumen rückgängig gemacht werden. Dazu brauchte es gesetzliche Regelungen, denn »es reicht nicht, die Fördermittel zu erhöhen oder anders zu gruppieren, da das am System nichts ändern würde«, so Bluhm.
Das bisherige System des sozialen Wohnungsbaus beruht auf der Förderung von Neubauten, wenn deren Besitzer sich verpflichten, die Wohnungen für einen bestimmten Zeitraum (20 bis 30 Jahre) zu festgelegten Mieten an Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen und anderweitig Bedürftige zu vermieten. Anschließend können die Wohnungen wieder zu »marktüblichen Mieten« angeboten werden. Ein gemeinnütziger und somit auch steuerlich privilegierter Sektor könnte hingegen so ausgestaltet werden, dass dauerhaft preiswerter Wohnraum entsteht, sei es durch die Förderung entsprechender gemeinwohlorientierter Bauträger, sei es durch direkten kommunalen Wohnungsbau.
Auch der Direktor des Deutschen Mieterbundes (DMB), Lukas Siebenkotten, unterstützt die Forderung nach der Wiedereinführung eines gemeinnützigen Sektors. Der Anteil öffentlicher und öffentlich geförderter Wohnungen betrage nur noch 15 Prozent, mit weiter sinkender Tendenz. Angesichts der Knappheit von Wohnraum in vielen Städten erhöhe dies den Verdrängungsdruck auf Gering- und Normalverdiener. Ziel jeder sozialen Wohnraumversorgung müsse aber sein, »dass jeder Mensch, der dauerhaft legal in Deutschland lebt, eine angemessene, bezahlbare Wohnung beziehen kann«. Und dies nicht »in Monostrukturen bestimmter sozialer Schichten und Ethnien«, sondern in gemischten Quartieren auch in den begehrten Innenstadtlagen. Keinesfalls dürfe man das ausschließlich Akteuren überlassen, die in erster Linie auf eine Maximierung ihrer Gewinne ausgerichtet seien. Kritisch äußerte sich der DMB-Direktor zu Vorschlägen, die Baustandards abzusenken. Dies sei allenfalls bei Zwischennutzungen als Wohnraum denkbar, nicht aber bei Neubauten für dauerhaftes Wohnen. Für Andrej Holm ist das Ergebnis der Studie eindeutig: »Neue Gemeinnützigkeit im Wohnungsbereich ist machbar, sinnvoll und notwendig.« Derzeit würden Wohnungen vor allem gebaut, »um Geld profitabel anzulegen und nicht um gesellschaftliche Grundbedürfnisse zu erfüllen. Diese Dominanz des Tauschwerts über den Gebrauchswert gilt es umzukehren.«
Am Nachmittag waren die Studie und die Möglichkeiten eines gemeinnützigen Wohnungssektors auch Gegenstand einer Fachkonferenz der Linksfraktion und der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit internationaler Beteiligung. Sowohl Bluhm als auch Siebenkotten versprachen, in der Frage der Gemeinnützigkeit auch in Zukunft nicht locker zu lassen.
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