Premier Passos Coelho droht der Abpfiff
Portugals Linksparteien verfügen gemeinsam über eine Mehrheit im Parlament und wollen sie auch nutzen
Portugals Ministerpräsident Pedro Passos Coelho hat am Montag das Programm seiner Mitte-Rechts-Regierung im Parlament in Lissabon vorgestellt. Aber es war wohl ein Muster ohne Wert, da die Opposition der Linksparteien angekündigt hatte, das Programm abzulehnen und den Regierungschef damit zu Fall zu bringen. Rein formal wollte das Parlament Passos Coelhos Programm von Montagnachmittag ab zwei Tage lang debattieren. Doch danach will die linke Mehrheit es ablehnen. Dann muss, nach knapp zwei Wochen, der Konservative zurücktreten, wie es die Verfassung vorsieht.
Damit schlägt die Stunde des Chefs der Sozialistische Partei (PS), António Costa. Die PS-Führung hatte am Sonntag das Abkommen ratifiziert, dass er mit dem Linksblock (BE) und dem grün-kommunistischen Bündnis Demokratische Einheitskoalition (CDU) ausgehandelt hatte. »Die Bedingungen zur Bildung einer Regierung, die ich anführen werde, sind gegeben«, sagte Costa.
Auch die CDU-Führung hat den Pakt am Sonntag vom Zentralkomitee des Bündnisses bestätigt bekommen. Am Abend erklärte der Generalsekretär der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP), Jerónimo de Sousa, die mit der PS ausgehandelte »gemeinsame Position« sei einstimmig bestätigt worden. Damit lägen die Bedingungen zum Sturz der Rechtsregierung vor. De Sousa fügte an, er glaube, dass eine Costa-Regierung »eine Politik macht, die eine stabile und dauerhafte Regierung für die Legislaturperiode sichert«.
Darin drückt sich aus, dass das Zerwürfnis in der Folge der Nelkenrevolution vor 40 Jahren noch nicht endgültig beseitigt ist. Damals waren die Sozialisten, nachdem sie gegen die kommunistisch orientierte Regierung mobilisiert und eine Hinwendung zur Sozialdemokratie vollzogen hatten, von der PCP zum Hauptfeind erklärt worden. Die Zerstrittenheit nahm mit der BE-Gründung 1999 noch zu, weil an ihr eine Abspaltung der PCP beteiligt war.
Dafür, dass eine Regierung nicht einmal zwei Wochen hält, ist der konservative Staatschef verantwortlich. Aníbal Cavaco Silva hatte den bisherigen Ministerpräsidenten mit der Regierungsbildung beauftragt, obwohl sein Parteifreund praktisch keine Chance auf eine Mehrheit hat. Gespannt wird nun auf Cavaco Silva geschaut, denn der muss Costa nicht mit der Regierungsbildung beauftragen. Er könnte auch eine Übergangsregierung für sechs Monate mit Passos Coelho an der Spitze oder eine parteienunabhängige »Technokratenregierung« bilden.
Doch, so meint Jorge Miranda, Professor für Rechtswissenschaften an der Universität Lissabon, müsste auch die ihr Programm im Parlament bestätigten lassen und würde wohl das gleiche Schicksal erleiden. Deshalb meint der Verfassungsrechtler Jorge Reis Novais, dass Silva keine Wahl hat: »Allein Costa verfügt über Unterstützung für sein Programm.« Das Land wäre ein halbes Jahr gelähmt, weil vorher keine Neuwahlen möglich seien. Zwar bevorzugt auch die EU-Kommission Passos Coelho, doch an langer Instabilität hat auch Brüssel kein Interesse. Das dürfte die Risikoaufschläge für portugiesische Staatsanleihen weiter steigen lassen. Das Land, dessen Verschuldung unter Passos Coelho auf 130 Prozent der Wirtschaftsleistung explodiert ist, käme schnell in Bedrängnis. Brüssel wartet schon seit Oktober auf den Haushaltsentwurf für 2016.
Novais wirft Cavaco Silva vor, aus »ideologischen Gründen« an Passos Coelho festzuhalten. Er meint, die Politik des Staatschefs sei »unvorhersehbar und mache alles möglich«. Man habe den Eindruck, dass er die Macht nie einer Linksregierung überlassen wolle. »Nach großen Opfern für ein Programm der Finanzhilfe ist es meine Pflicht, innerhalb meiner verfassungsrechtlichen Macht alles zu tun, damit nicht falsche Signale an Finanzinstitute, Investoren und Märkte gesendet werden«, hatte der Staatschef in einer Rede an die Nation gesagt. Die PCP habe offen für den Ausstieg aus dem Euro und der NATO plädiert. Auch der BE schließe einen Euroaustritt nicht aus.
Im Programm der Linksregierung steht davon aber nichts. Sie will die Lohn- und Rentenkürzungen beenden, mit den Privatisierungen aufhören und Steuern senken, vor allem den auf 23 Prozent erhöhten Mehrwertsteuersatz. Dazu soll es einen Sozialstromtarif für Arme geben. Über eine stärkere Steuerprogression sollen höhere Einkommen zur Kasse gebeten werden. Die für Besserverdiener eingeführten Sondersteuern sollen aber 2016 halbiert werden und 2017 ganz verschwinden. Wegfallen sollen ebenfalls die Gebühren in Notaufnahmen der Krankenhäuser sowie ausufernde Zeitverträge im Arbeitsrecht.
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