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Das Staatsgeheimnis
Erich Schmidt-Eenboom und Ulrich Stoll über die Stay-Behind-Organisationen der NATO
Ein kluger Mensch hat einmal geschrieben, dass die Aufarbeitung der Vergangenheit ein freudiger Akt ist, wenn es nicht die eigene ist. Das erleben wir ungebremst, wenn es um die DDR geht. Da wird weiterhin fleißig seziert und denunziert. Und die Akten, alte Kriminalfälle und »Zeugen«, die zum Teil gar nicht wissen, wie es wirklich in der DDR war, werden benutzt, um 25 Jahre nach dem Tod des Landes immer wieder nachzuweisen, dass die DDR ein Unrechtsstaat war.
Erich Schmidt-Eenboom/ Ulrich Stoll: Die Partisanen der NATO.
Stay-Behind- Organisationen in Deutschland 1946-1991. Ch. Links. 304 S., geb., 22 €.
Wenn es dagegen um die Geschichte der ehemaligen Bundesrepublik geht, ist man bei weitem nicht so forsch in der Vergangenheitsaufarbeitung. Die finsteren Kapitel (Berufsverbote usw.) werden totgeschwiegen, in den aktuellen Fällen der Nazi-Terrororganisation NSU (die offenbar mit behördlicher Beihilfe gemordet hat, weshalb heute die amtlichen Zeugen in den NSU-Untersuchungsausschüssen lügen, schweigen, vertuschen und die Tatsachen verdrehen) und des NSA-Spionageskandals ist man an der Aufdeckung der Wahrheit überhaupt nicht interessiert. Denn ein schlechtes Gewissen der Beamten und Helfershelfer führt in diesem Land gesetzmäßig zu einem noch schlechteren Wissen, zu retrograden Amnesien und anderen Gedächtnisverlusten.
Mit ihrem Buch über die Stay-Behind-Organisationen (SBO) in Deutschland versuchen die Autoren Erich Schmidt-Eeenboom und Ulrich Stoll, Licht in ein sehr dunkles Kapitel zu bringen.
Die vom US-Geheimdienst CIA in Westdeutschland nach dem Krieg aufgebauten Stay-Behind-Netzwerke waren eine amerikanische Schattenarmee, die im Kriegsfall als Partisanentrupps gegen die Kommunisten kämpfen sollten. Anfang der 1950er Jahre standen sie mehrfach vor der Enttarnung. Aber alle Ermittlungen verliefen auf Druck der Amerikaner im Sande, und zufällig aufgefundene Waffenlager wurden einfach einer (nicht existenten) kommunistischen Untergrundtruppe in die Schuhe geschoben.
1952 flog aber die von ehemaligen SS-Männern gebildete Terrororganisation Technischer Dienst des Bundes Deutscher Jugend (BDJ-TD) auf, auch eine von mehreren US-geführten Schattenarmeen. Der BDJ-TD hatte Listen unliebsamer westdeutscher Politiker angelegt, die er im Kriegsfall »kaltstellen« wollte. Die Adenauer-Regierung, lesen wir in der Einleitung, »behinderte die Aufklärung dieses Skandals und ließ zu, dass sich die ehemaligen SS-Männer der Verhaftung entziehen konnten. Und die US-amerikanischen Stellen ließen Beweismittel verschwinden.« So wurde das Staatsgeheimnis Stay Behind wohl behütet, und die Regierung Kohl log das Parlament noch Ende 1990 dreist an mit der Behauptung, man habe keine Akten aus der Gründungsphase der Schattenarmee mehr gefunden.
Der Bundesnachrichtendienst hat nun nach jahrzehntelangem Schweigen rund 20 Aktenbände der von ihm geführten SBO aus vier Jahrzehnten freigegeben, die einen Blick auf die Denkweise des Kalten Krieges werfen. Zum ersten Mal seit 1990, so die Autoren, hat der BND als Auslandsgeheimdienst überhaupt einen Blick hinter die Kulissen gestattet.
Nach der Enttarnung der Partnerorganisation GLADIO in Italien im Herbst 1990 hatte sich der BND nur kurz zur anstehenden Auflösung der SBO gegenüber der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) geäußert; journalistische Anfragen wurden jahrelang negativ beschieden. »1990, in den Wirren des Wiedervereinigungsprozesses, verdrängten Themen wie Stasiseilschaften und Treuhandskandale die BND-Schattenarmee von der politischen Agenda.«
Dieses Buch ist der erste, sehr lobenswerte Versuch, anhand von Akten des US-Nationalarchivs und des BND den Fall aufzuarbeiten. Dabei konnten nicht alle Fragen abschließend beantwortet werden, z. B. welche Bundesregierung vom Treiben der Schattenarmee was genau wusste und in welchem Umfang diese in Straftaten verwickelt war. Ein Fememord an einem ehemaligen Oberst jedenfalls, dem die übrigen Lehrgangsteilnehmer an der Partisanenschule des Technischen Dienstes als »Ost-West-Brückenbauer« (nach dieser Definition wäre auch Willy Brandt Opfer geworden!) aufgefallen war, konnte Anfang 1951 nicht aufgeklärt werden, weil damals zwar Untersuchungen eingeleitet worden sind, sie aber auf Befehl der US-Amerikaner eingestellt werden mussten. Denn die hatten, wie heute, das Sagen.
Den Kriegsplanungen US-amerikanischer, britischer und deutscher Nachrichtendienste für West-Berlin und die DDR ist ein eigenes, sehr aufschlussreiches Kapitel gewidmet. Schon der noch junge BND unter seinem Präsidenten Reinhard Gehlen hatte Bedrohungsszenarien entworfen, die die illegalen Aktivitäten der Partisanengruppe, einschließlich Putsche gegen gewählte Politiker, rechtfertigen sollten. Auch unter der Neuen Ostpolitik blieb als Auftrag für die SBO Widerstand und Sabotage. Das erklärt, dass sie in das Visier der östlichen Geheimdienste gerieten, worüber die Autoren ebenfalls spannend und detailliert berichten.
Schattenarmeen weiter zu erforschen, haben sich die Autoren verpflichtet. Man darf gespannt sein. NSU, NSA, SBO - was wird alles noch ans Tageslicht kommen?
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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