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Hungerstreik für Mindestlohn

In der hessischen JVA Butzbach kündigen Gefangene unbefristete Proteste ab 1. Dezember an

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.
Deutsche Gefängnisse seien längst zu »Sonderwirtschaftszonen« mit Billiglöhnen geworden, kritisiert die Gewerkschaft GG/BO. In der JVA Butzbach könnte Protest in dieser Sache zum Hungerstreik werden.

In der hessischen Justizvollzugsanstalt (JVA) Butzbach droht ab 1. Dezember ein unbefristeter Hungerstreik von Gefangenen. Die im Haftalltag für reguläre Lohnarbeit eingesetzten Gefangenen kritisieren ihre Arbeitsbedingungen und fordern »Minimalstandards« für Löhne und soziale Absicherung, bestätigte Oliver Rast, Sprecher der neuen Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO), auf »nd«-Anfrage.

»Mit unserem ›Hungerschrei‹ wollen wir ein Zeichen setzen«, so Jürgen Rößner, Sprecher der GG/BO-Sektion Butzbach. »Wir fordern Mindestlohn und Rentenversicherung für alle gefangenen Arbeiter(innen), Tariffähigkeit, Abschaffung der Arbeitspflicht, volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern und Solidarität drinnen und draußen.« Eine Petition mit diesen Forderungen, die »nd« in Kopie vorliegt, haben »nd«-Recherchen zufolge bereits weit über 100 Gefangene unterzeichnet. Grundgesetz, Resozialisierungsgrundsatz und Urteile des Bundesverfassungsgerichts, argumentiert Rößner, sicherten auch Gefangenen das Recht auf ungehinderte gewerkschaftliche Betätigung zu.

Ein Auslöser des Konflikts in der JVA Butzbach mit ihren rund 500 Gefangenen war dem Vernehmen nach ein Dokument im Zusammenhang mit der Produktion von Klettergerüsten für Spielplätze durch die gefängniseigene Schlosserei. Die Häftlinge, sagt GG/BO-Sprecher Rast, hätten die Preise für die Produkte mit ihren Stundenlöhnen in Höhe von maximal 1,50 Euro abgeglichen und seien zu der Schlussfolgerung gekommen, dass sie mit ihrer Arbeit der JVA traumhafte Gewinnmargen bescherten. Entgegen der politischen Zielsetzung einer Resozialisierung von Gefangenen »produziert dieses zur Zeit perfide Strafvollzugssystem den Rückfall von Gefangenen und entlässt sie in die resozialisierte Altersarmut, weil es sich nicht an seine ureigene Gesetzgebung und Verordnung hält«, beklagt Rößner.

Butzbach ist kein Einzelfall. Deutsche Gefängnisse, sagt Rast, seien längst zu »Sonderwirtschaftszonen« mit Billiglöhnen geworden, in denen teilweise auch private Unternehmen ohne Sozialabgaben produzieren und ausbeuten ließen.

Für Unmut unter den Gefangenen sorgen auch die Folgen des Personalabbaus im Strafvollzug. So sind laut Rast vielfach sportliche Aktivitäten und Ausgänge gestrichen worden. Dies komme einer Verschärfung der Freiheitsstrafe gleich. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD), ein Ableger des Deutschen Beamtenbunds (DBB), beklagt »Arbeitsunzufriedenheit, Demotivation und zunehmenden Krankenstand« des vorwiegend beim BSBD organisierten Gefängnispersonals. »Die Arbeitssituation ist gefährlich und befindet sich in einer totalen Schräglage«, so die hessische BSBD-Landeschefin Birgit Kannegießer.

Die Butzbacher Gefangenen sind auch deshalb sauer, weil Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) bislang nicht auf ein Schreiben reagierte, das Ende September von der gewählten Interessenvertretung der Gefangenen verfasst wurde. Die Unterzeichner des Briefes hatten darin ihre Probleme geschildert, um ein Gespräch gebeten und sich für Lösungen offen gezeigt. »Es kann nicht sein, dass die Ministerin nicht auf die Sorgen der Gefangenen reagiert hat und diese nun keine andere Möglichkeit mehr sehen, als in einen Hungerstreik zu treten«, so die SPD-Landtagsabgeordneten Heike Hofmann und Lisa Gnadl. Beide forderten von der Justizministerin Aufklärung über Zustände in Butzbach.

»Nach jahrelanger Arbeit in der JVA muss man am Ende auch Rentenansprüche haben«, betont auch die LINKE-Abgeordnete Marjana Schott. »Wenn die Ministerin den Gedanken der Resozialisierung und die Anliegen der Gefangenen ernst nehmen würde, hätte sie auf den Gesprächswunsch reagiert.« Dass die Gefangenen nun mit einem Hungerstreik auf ihre prekäre Lage aufmerksam machen wollten, sei »erwartbar gewesen«, so Schott.

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