Komm schon, Jubelperser!
Freitags Woche
In der permanenten Krisenberichterstattung geht derzeit unter, dass es auch einen Informationsoverkill gibt: Wintersport. Die öffentlich-rechtliche Druckbetankung damit war schon am Startwochenende so ergiebig, dass bereits vier Monate vor dem Finale alle Kanister des guten Geschmacks gefüllt sind. Und beim Bemühen, auch das hinterletzte Rodelrennen zu übertragen, ist zudem ein irrer Wettstreit entbrannt: Wer bietet das subjektivste Paar moderierender Jubelperser?
Nach Punkten vorn: der patriotisch betäubte Matthias Opdenhövel und sein dauergrinsender Grüßaugust Dieter Thoma, die noch jede Skisprungschanze zur Schmierentheaterbühne machen. Da hat es der kritisch-kompetente Tom Bartels am Mikro schwer, die provinzielle Schlichtheit des ARD-Teams zu durchdringen. Provinziell geht es auch in der »Lindenstraße« zu. Sie liegt zwar dramaturgisch in München und baulich in Köln, aber der dörfliche Mikrokosmos von Deutschlands ältester Familienfiktion behauptet sich seit exakt 30 Jahren gegen die Windmühlen der Welt da draußen, was das Erste am Sonntag mit einer Live-Folge feiert.
Herzlichen Glückwunsch an den analogen Fels in der Brandung des digitalen Zeitalters! Ein digitaler Fels ist hingegen WikiLeaks. Die Enthüllungsplattform versteigt sich zwar gerade zu obskuren Verschwörungstheorien über die Anschläge von Paris; welche Bedeutung sie für die globale Transparenz hat, kann man aber gut in der US-Doku »We Steal Secrets« sehen, die das ZDF Donnerstagfrüh um 0.10 Uhr zeigt. Fast ebenso spät (0.05 Uhr) läuft dort Montag »Komm schon!«, eine Sitcom, deren Thema die Geisterstunde sogar rechtfertigen könnte. Doch das komplizierte Liebes- und Berufsleben einer Sexualtherapeutin kommt fast ohne Körpereinsatz aus, vor allem aber ohne Zoten, Peinlichkeit und Lacher vom Band. Auch darum ist der Vierteiler von Esther Bialas eine Programmperle, die man unbedingt zur publikumsfreundlicheren Zeit sehen sollte: in der Mediathek.
Die Primetime großer Kanäle ist ja gewohnt knitterfrei. Obwohl: Manchmal heißt glattgebügelt nicht zwingend faltenfrei. Etwa in der opulent inszenierten Räuberpistole »Mordkommission Berlin 1«. Am Beispiel des real existierenden Ernst Gennat, der in den Goldenen Zwanzigern die Polizeiarbeit forensisch revolutionierte, kriegt es Friedrich Mücke Dienstag auf Sat1 mit einer heillos überfrachteten Unterwelt zu tun, die so herrlich ans Technikolorkino der Jahrhundertmitte erinnert, dass man ihr den ästhetischen Mainstream verzeiht.
Als Gennat noch selbst Mörder jagte, erschien übrigens ein Buch, das ebenfalls Geschichte schrieb und die kurze Phase der Freizügigkeit rabiat terminieren half: »Mein Kampf«. Am 1. Januar endet das Urheberrecht an Hitlers Machwerk, weshalb es - kommentiert - wiederveröffentlicht werden kann. Was das in Zeiten von Pegida und der »Alternative für Deutschland« bedeutet, die sich zusehends als moderate SA gerieren, erkundet Manfred Oldenburg am Donnerstag auf Arte (20.15 Uhr) in seiner Doku »Das gefährliche Buch«.
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