Stummer Schrei
Tag der Menschenrechte: Krise der internationalen Solidarität beklagt
Berlin. Seit Tagen hatten in Idomeni Hunderte Geflüchtete an der griechischen Grenze zu Mazedonien ausgeharrt. Sie hatten gegen ihre unwürdige Situation protestiert. Viele saßen in Idomeni fest, seit die mazedonischen Behörden nur noch Syrer, Afghanen und Iraker durchließ. Wer nicht durchkam, hatte protestiert gegen die Blockade seiner Flucht weiter nach Europa. Einige der Asylsuchenden hatten sich die Münder zugenäht. Ein stummer Schrei nach nicht mehr als einem Leben als Mensch.
Am Mittwoch räumte die griechische Polizei das Lager der Flüchtlinge. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden wegbefohlen, Journalisten verhaftet. Was in Idomeni geschieht, ist längst zur traurigen Normalität in einem Europa geworden, in dem nationale Egoismen mehr zählen als Flüchtlingsschicksale. Mehr als die Rechte von Menschen, die vor Krieg, Elend und Verfolgung fliehen.
Zum Tag der Menschenrechte an diesem Donnerstag ist deshalb von vielen Seiten der Ruf nach einer würdigen Behandlung von Schutzsuchenden zu vernehmen. »Die sogenannte Flüchtlingskrise ist in Wahrheit eine Krise der internationalen Solidarität«, sagte die Generalsekretärin von Amnesty International in der Bundesrepublik, Selmin Çalışkan, am Mittwoch in Berlin. Die Solidarität fehlt dabei vor allem in den reichen Staaten: Weltweit sind 60 Millionen Menschen auf der Flucht, aber 80 Prozent dieser Menschen finden in Entwicklungsländern Zuflucht.
Und noch eine Botschaft hat Çalışkan: Menschen fliehen dann nicht, wenn ihnen Sicherheit, Frieden und Stabilität geboten werden. Dies würde nur dann erreicht, wenn Menschenrechte geschützt und gestärkt werden. Stattdessen treibt die Politik hierzulande mit Schinderstaaten wie Saudi-Arabien Waffenhandel und paktiert mit Regimen wie der Türkei. Auch wenn sie oft als Grund herhalten müssen: »Menschenrechte«, sagt Çalışkan, »spielen als Politikfeld überhaupt keine Rolle.« tos Seiten 2, 3 und 7
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