Thüringen verliert seine Studenten

Entwicklung verläuft entgegen dem Bundestrend

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 2 Min.

Im laufenden Wintersemester sind weniger Studenten an Thüringer Hochschulen eingeschrieben als im Wintersemester 2014/2015. Insgesamt seien nach einer ersten Zählung mit Beginn des Wintersemesters 2015/2016 genau 50 167 junge Menschen an den Universität und Fachhochschulen des Landes eingeschrieben gewesen, teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit. Damit sei die Zahl der Studenten binnen Jahresfrist um 1,5 Prozent zurückgegangen - ein Trend, der in einem deutlichen Widerspruch zur bundesweiten Entwicklung steht.

In ganz Deutschland nämlich sind laut Statistikamt im aktuellen Wintersemester laut erster Zählung so viele junge Menschen als Studenten eingeschrieben wie niemals zuvor: Etwa 2,76 Millionen Frauen und Männer studierten derzeit an deutschen Hochschulen, heißt es in der Mitteilung des Bundesamtes. Das entspreche einem Plus von 2,2 Prozent gegenüber dem Wintersemester 2014/2015.

Der wissenschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Mario Voigt, nannte die Thüringer Entwicklung vor diesem Hintergrund ein »Alarmzeichen«. »Weniger Studenten bedeuten weniger Bundesmittel. Es muss besser für die Hochschulen im Freistaat geworben, die attraktiven Studienplätze und die gute Betreuungsquote herausgestellt werden«, sagte er.

Wie sehr die Entwicklung der Studentenzahlen im Freistaat gegen den sonstigen Trend in Deutschland läuft, zeigt sich auch darin, dass die Zahl der angehenden Akademiker im Vergleich der beiden Wintersemester laut Statistikamt in keinem anderen Land so stark zurückgegangen ist wie in Thüringen. In Bayern, Hamburg und Berlin nahm die Studentenzahl in diesem Jahrvergleich sogar um jeweils mehr als 2,5 Prozent zu.

Dieser Befund passt auch zu den Ergebnissen einer vor wenigen Tagen veröffentlichten Studie zur erwarteten innerdeutschen Wanderung von Absolventen deutscher Hochschulen. Erstellt wurde die Studie von einer Jobvermittlungsagentur und der Universität Maastricht. Aus einer Befragung von etwa 20 000 Studenten leitet die Studie die Schlussfolgerung ab, dass die große Mehrzahl der deutschen Bundesländer in den kommenden Jahren mit einer - teilweise dramatischen - Abwanderung von Hochschulabsolventen in nur vier Bundesländer rechnen muss. Und: Unter den Verliererländern werden nur Sachsen-Anhalt und Brandenburg noch mehr Akademiker gehen lassen müssen als Thüringen. Die Studenten waren gefragt worden, in welches Bundesland sie nach ihrem Abschluss gehen möchten.

Die vier Bundesländer mit einem Zuzug an Akademikern sind der Studie zufolge Hamburg, Berlin, Bayern und Baden-Württemberg. Für jeweils 100 in dem Bundesland selbst ausgebildete Hochschulabsolventen sollen demnach pro Jahrgang in Hamburg 159 weitere dazukommen, in Berlin 66, in Bayern 22 und in Baden Württemberg 20. Thüringen dagegen, so die Prognose, wird pro Jahrgang 59 Prozent seiner Absolventen in andere Bundesländer verlieren. Sachsen-Anhalt muss mit einer Abwanderungsquote von 70 Prozent bei ausgebildeten Akademikern rechnen, Brandenburg mit einer Quote von 63 Prozent.

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