Banker in zwei Systemen: Edgar Most ist tot
Er nannte sich einen »Gewinner der Einheit« und war zu allen Zeiten ein kritischer Kopf: Der letzte Vize der DDR-Staatsbank ist mit 75 Jahren gestorben
Berlin. Der letzte Vizepräsident der DDR-Staatsbank und spätere Berater der Bundesregierung, Edgar Most, ist tot. Wie erst jetzt bekannt wurde, starb der Thüringer bereits vor einigen Tagen im Alter von 75 Jahren. Most hatte sich immer wieder kritisch mit dem Ablauf der so genannten Wiedervereinigung auseinandergesetzt, nicht ohne auch sehr kritisch auf die Entwicklung in der DDR zurückzublicken.
Der Bergarbeitersohn war nach seiner Ausbildung in der DDR mit 26 zum jüngsten Bankdirektor avanciert. In Schwedt an der Oder wirkte er am Aufbau des Petrochemischen Kombinats mit. Die Staatssicherheit hatte das SED-Mitglied Most auf ihrer IM-Liste, doch der Ostbanker berichtete schon vor der Wende offen von seinen Kontakten zu dem Mielke-Ministerium - weshalb das MfS misstrauisch auch Most überwachte. Nach einem Wechsel nach Berlin studierte er Ökonomie und arbeitete in der Zentrale der DDR-Staatsbank. 1990 wurde er deren letzter Vizepräsident.
Sich selbst bezeichnete Most einmal als einen »Gewinner der Einheit«. Er sei dies aber als »der Einzige in der Familie, meine beiden Brüder und meine Schwester sind nach der Wende arbeitslos geworden. Und die meisten meiner Schulfreunde auch«. Ohne den Rückhalt seiner Freunde und Familie würde er »trübselig werden« in »dieser verrückten Welt, in der sich nach der Wende für uns alles auf den Kopf gestellt hat«, sagte Most einmal der »Süddeutschen Zeitung«.
Zur Arbeit der Treuhandanstalt, mit der die DDR-Wirtschaft abgewickelt wurde, sagte er noch vor wenigen Monaten im Deutschlandfunk, schon der Ansatz sei »falsch, wie er dann durchgeführt« worden sei. Auch hätten »die Käufer den Wert bestimmt und nicht die Verkäufer«. Die Freistellung der Treuhandchefs von der Haftung für falsche Entscheidungen nannte Most einen »Vorschub« für kriminelles Handeln.
Nach der Wende gründete er die Deutsche Kreditbank AG mit, das erste private Kreditunternehmen im Osten. Nachdem diese von der Deutschen Bank übernommen wurde, stieg Most dort in die Geschäftsleitung ein. Bis 2002 war er Vorstandschef des Ostdeutschen Bankenverbandes. Zudem war Most im Förder- und Freundeskreises der TU Illmenau engagiert. Die Universität trauert nun um den Vorsitzenden ihres Hochschulrates. Most habe sich stets in besonderem Maße für die Belange der Universität eingesetzt. tos
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.