War Reker-Attentäter V-Mann?
NRW-Innenministerium will Verdacht aus »Gründen des Geheimschutzes« weder bestätigen noch verneinen
Das nordrhein-westfälische Innenministerium lässt weiter offen, ob der Attentäter Frank S., der am Tag vor der Kölner Oberbürgermeisterwahl vom 18. Oktober 2015 die damalige Kandidatin und heutige Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit einem Messer attackierte, mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeitete. »Eine Führung als Informant oder V-Person durch den Verfassungsschutz NRW wird aus Gründen des Geheimschutzes weder bestätigt noch vereint«, heißt es in einer von Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) unterschriebenen Antwort auf eine Anfrage des parteilosen Landtagsabgeordneten Daniel Schwerd.
Über »Verbindungen der Behörden anderer Länder zu Frank S.« lägen keine Informationen vor, heißt es weiter in dem Schreiben, das heute, gut zweieinhalb Monate nach dem Attentat, öffentlich wurde. Verfassungsschutz-Erkenntnisse lägen über Frank S. aus den 1990er-Jahren sowie 2002 und 2008 vor. Sie stünden, lässt das Ministerium abstrakt wissen, »im Zusammenhang mit Veranstaltungen im Bereich der rechtsextremistischen Szene«.
Der anfragende Abgeordnete Schwerd, ein Ex-Pirat, zeigte sich nicht zufrieden. »Diese Antwort ist vielsagend nichtssagend. Sie sorgt nicht gerade dafür, den Verdacht zu zerstreuen, dass der Verfassungsschutz zuvor über diese Person und ihre Gefährlichkeit genau im Bilde war.« Für eine Geheimhaltung bestehe kein Grund, argumentiert der Landtagsabgeordnete: »Sollte er V-Person gewesen sein, müssen wir das erfahren, eine Verstrickung des Verfassungsschutzes in diesen Mordversuch muss Konsequenzen haben. Und wenn Frank S. keine V-Person war, könnte der Minister diesen Verdacht leicht entkräften.«
Schwerd hatte seine Anfrage bereits am 21. Oktober gestellt, sie sei indes erst mit fünf Wochen Verspätung im Landtagssystem veröffentlicht worden, wie der Politiker moniert. Die Antwort wurde von der Landtagsverwaltung am 30. Dezember an Schwerd weiter geleitet, der sie heute öffentlich machte.
Eine ähnliche Anfrage seitens der grünen Bundestagsfraktion hatte die Bundesregierung nicht beantwortet – »nach sorgfältiger Abwägung«, wie Mitte Dezember mitgeteilt wurde. Die Führung von Quellen gehörtezu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln. Die Auskunft darüber müsse auch dann verweigert werden, wenn entsprechende Verbindungen zum Geheimdienst schon länger zurückliegen oder gar nicht existieren.
Ungereimtheiten unter anderem in der Arbeitslosengeschichte des Frank S. ließen nach dem Attentat den Verdacht aufkeimen, der Attentäter, der früher in der militanten Neo-Nazi-Szene des Rheinlandes aktiv war, könnte ein (ehemaliger) V-Mann sein, der behördlicherseits protegiert werde. So war die Frank S. Akte bei der Arbeitsagentur Köln als geheim eingestuft worden.
Die Bundesanwaltschaft geht von einem »eindeutig fremdenfeindlichen Hintergrund« des Attentats auf Reker aus, die zuvor als Sozialdezernentin für die Unterbringung von Flüchtlingen verantwortlich war.
Neo-Nazis um die Pegida-Aktivistin Melanie Dittmer hatten im zeitlichen Zusammenhang Messer-Attacken trainiert, entsprechende Videos kursierten im Internet.
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