Dänemark schreckt mit Stichproben
Grenzkontrollen seit Montag sind für Kritiker reine Symbolpolitik
Seit Wochenbeginn kontrollieren dänische Grenzer an der deutschen Grenze wieder Pässe - die Kopenhagener Reaktion auf die Flüchtlingsdebatten im Land, auch wenn die von Schweden an der dänischen Grenze am Öresund neuerdings praktizierten Kontrollen als Begründung herhalten müssen. Es handele sich um eine vorübergehende Maßnahme, beschwichtigte Ministerpräsident Lokke Rasmussen, und auch die Lage an der Grenze bietet keinen Grund für Panik. Zunächst zeigen sich Alltag und Zusammenleben in der deutsch-dänischen Grenzregion nicht sichtbar beeinträchtigt. Die dänische Polizei ist stichprobenartig, quasi im »Light«-Modus im Einsatz.
»Stop Kontrol« steht auf Schildern am Grenzübergang Ellund auf der A 7 sowie an den Passierstellen von Pattburg und Krusau. Die Kontrollposten in ihren leuchtgelben Westen sind von Weiten zu sehen. Sporadisch winken sie Fahrzeuge heraus, lassen sich Ausweise und Pässe zeigen. Nachts leuchten sie mit ihren Taschenlampen in die Autos. Dauerfrost setzt den 200 Beamten zu, die nun rund um die Uhr ihren Dienst versehen. In einem beheizten Mobilcontainer wärmen sie sich zwischendurch auf, die einstigen Grenzkontrollhäuschen gibt es hier schon lange nicht mehr. Deutschland stellte die Kontrollen 1995 ein, Dänemark folgte im März 2001. Seit Montag werden die Hauptverbindungsstraßen von den Dänen wieder durchgehend überwacht, die übrigen zwölf Nebenverbindungen nur unregelmäßig. Im Hinterland muss stets mit polizeilichen Kontrollen gerechnet werden.
Die Behörden beteuern, man sei bemüht, Pendler oder Studierende nicht in ihrer Mobilität zu beeinflussen. Auch die Fahrer der dreimal pro Stunde von Flensburg nach Krusau verkehrenden Buslinie melden bisher keine Zeitverluste. Auf dem Bahnhof Pattburg wurden hingegen Verzögerungen von bis zu 15 Minuten gemeldet. Ein Sprecher der Deutschen Bahn bestätigte drohende Verspätungen.
Vorerst sind die Kontrollen bei der EU-Kommission für zehn Tage beantragt. Die dänische Integrationsministerin Inger Stojberg (Venstre) sprach sich aber bereits für Verlängerung aus. Schleswig-Holsteins Europaministerin Anke Spoorendonk vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW), der Partei der dänischen Minderheit, kritisiert die dänischen Maßnahmen - wie die Vertreter aller anderen demokratischen Parteien in Schleswig-Holstein. Sollten die Kontrollen länger dauern, rechnet Spoorendonk damit, dass die guten deutsch-dänischen Beziehungen Schaden nehmen.
Auf dem Bahnhof von Flensburg, wo im Herbst freiwillige Unterstützer von »Flensburg hilft« bei der Betreuung von Transitflüchtlingen nach Skandinavien kaum ein Auge zubekamen, ist hingegen vergleichsweise Ruhe eingekehrt. In Spitzenzeiten hatten sich in der Bahnhofshalle und auf den Bahnsteigen hunderte Geflüchtete versammelt. Jetzt sind es wie in Lübeck gerade einmal rund 20. Über soziale Medien spricht es sich schnell herum, dass die Wege nach Nordeuropa inzwischen weitgehend blockiert sind. Fährbetriebe nehmen schon lange keine Flüchtlingspassagiere ohne Identitätsdokumente mehr mit. Wer es mit einem Scandlines-Fährschiff von Puttgarden bis nach Rodby probiert, läuft selbst mit gültigen Papieren Gefahr, dass die Reise Richtung Kopenhagen oder Schweden nun auf Lolland endet - es sei denn, er kehrt nach Deutschland um. In allen Zügen gibt es mittlerweile Polizeikontrollen. Es bliebe der Landweg über die grüne Grenze nach Jütland - ein riskanter Weg.
Die von dänischer Seite geäußerten Befürchtung eines »Flüchtlings-Rückstaus« wegen der geschlossenen schwedischen Grenzen fällt zahlenmäßig bisher nicht ins Gewicht. Am Dienstag meldete die Polizei, dass 1366 Menschen an den Grenzen kontrolliert wurden. 36 davon seien abgewiesen worden. Wie das Ausländer- und Integrationsministerium mitteilte, beantragten am Mittwoch 99 Menschen in Dänemark Asyl. Am Dienstag waren es 155 gewesen. Insgesamt beantragten 365 Personen seit Montag Asyl in Dänemark. Angesichts der relativ niedrigen Zahlen trotz großen Aufwands spricht Anke Spoorendonk daher von reiner Symbolpolitik der rechtsliberalen Minderheitenregierung von Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen.
Gleichwohl ist eine Ausweitung der Kontrollen geplant. Am Mittwoch hatte die dänische Integrationsministerin Inger Støjberg angekündigt, in Verhandlungen mit der Bundesregierung ein Abkommen über Passkontrollen durch Busfahrer und Zugpersonal erreichen zu wollen. Am gleichen Tag hatte es ein Treffen des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesinnenministerium, Ole Schröder (CDU), mit Vertretern Dänemarks und Schwedens sowie mit dem EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos in Brüssel gegeben.
Rechte Gruppierungen immerhin fühlen sich von den Maßnahmen ermutigt. Für Samstag hat die Gruppierung »Stopp der Islamisierung Dänemarks« (SIAD), ein dänischer »Pegida«-Verschnitt, zur Blockade des Grenzübergangs Krusau aufgerufen. Zwei vorangegangene Versuche dieser Art waren bereits gescheitert. Auf deutscher Seite der Grenze hatten sich jeweils zahlenmäßig mehr Aktivisten zu Gegendemonstrationen eingefunden.
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