169 Asylanträge sind schon ein Wahlkampfthema
Slowakischer Premier Fico setzt für seine Wiederwahl auf Populismus und bildet ein Trio mit den nationalkonservativen Orban und Szydlo
Die Vorfälle der Silvesternacht im deutschen Köln kamen dem slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico recht, um eine weitere Begründung für die ablehnende Haltung seines Landes gegen die Aufnahme von Flüchtlingen zu finden. Diese, so Robert Fico in populistischer Manier, könnten sich nicht in die europäische Lebensweise integrieren und blieben besser in ihren Herkunftsländern.
Auf einer seiner vielen Pressekonferenzen, die der sozialdemokratische Regierungschef seit Tagen verstärkt abhält, forderte er einen Sondergipfel der EU, um mit den 27 anderen Mitgliedsstaaten über neue Abschottungsmaßnahmen zu beraten.
Ficos Bestrebungen sind auf das slowakische Innenleben bedacht. Der Führer der sozialdemokratischen Smer-SD steht im Wahlkampf. Am 5. und 6. März will Fico die absolute Mehrheit im Parlament und sein Regierungsamt verteidigen. Dazu braucht er auch die Stimmen der national und christlich-katholisch ausgerichteten Wählerschaft. Das - so offenbar glaubt es Fico - bedarf der Abschottung gegen Andersdenkende und Andersgläubige, vor allem der Muslime.
Angesichts der Zahlen der in der Slowakei lebenden Angehörigen des islamischen Glaubens kann Robert Fico nicht ernsthaft an eine Bedrohung glauben. Nach Schätzungen der Glaubensgemeinschaft unter Imam Mohamad Safwan Hasna leben in der Slowakei etwa 5000 Muslime, Nachkommen der ungarischen und osmanischen Heere, die im ausgehenden Mittelalter um die Vormachtstellung in der Region kämpften. Das sind nicht einmal 0,1 Prozent der Landesbevölkerung. Darunter sind auch einige Hundert Bosnienflüchtlinge aus dem Balkankrieg der 90er Jahre.
Aktuell soll die Slowakei 169 Flüchtlinge beherbergen, die 2015 einen Asylantrag in der Donaurepublik gestellt hatten. Weder gibt es im Lande ein größeres islamisches Kulturzentrum noch eine Moschee, von der aus zum »Kampf gegen das Abendland« aufgerufen werden könnte. Innenpolitische Kritiker verweisen daher auch darauf, dass Fico die Flüchtlingsdebatte aktuell zu Wahlkampfmaßnahmen missbrauche.
Dass alle vier Staaten der Vysegrad-Gemeinschaft - außer der Slowakei sind dies Polen, Tschechien und Ungarn - der EU-Flüchtlingsregelung skeptisch gegenüberstehen, ist nichts Neues. Dass der Sozialdemokrat Fico sich mit seinen teils drastischen Äußerungen jedoch in eine Reihe mit Ungarns konservativem Viktor Orban und der neuen Warschauer Regierungschefin Beata Szydlo von der nationalkonservativen PiS einreiht, verblüfft dennoch. Denn im Gegensatz zu den beiden populistisch und euroskeptisch eingestellten und eher rechtskonservativen Politikern galt Fico als ausgleichender und versöhnlicher Regierungschef, der sowohl die Integration der Slowakei in die EU fördert als auch den Kontakt zu den östlichen und traditionellen Partnern nicht verlieren will.
Inwieweit die Abschottungspolitik nur ein wahlkampftaktisches Manöver ist, wird sich spätestens ab Juli zeigen, wenn Bratislava die EU-Präsidentschaft übernimmt.
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