Werbung

169 Asylanträge sind schon ein Wahlkampfthema

Slowakischer Premier Fico setzt für seine Wiederwahl auf Populismus und bildet ein Trio mit den nationalkonservativen Orban und Szydlo

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 2 Min.
Der slowakische Premier Robert Fico will Anfang März wieder die Parlamentswahlen gewinnen. Deshalb schlägt der Sozialdemokrat populistische Töne an.

Die Vorfälle der Silvesternacht im deutschen Köln kamen dem slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico recht, um eine weitere Begründung für die ablehnende Haltung seines Landes gegen die Aufnahme von Flüchtlingen zu finden. Diese, so Robert Fico in populistischer Manier, könnten sich nicht in die europäische Lebensweise integrieren und blieben besser in ihren Herkunftsländern.

Auf einer seiner vielen Pressekonferenzen, die der sozialdemokratische Regierungschef seit Tagen verstärkt abhält, forderte er einen Sondergipfel der EU, um mit den 27 anderen Mitgliedsstaaten über neue Abschottungsmaßnahmen zu beraten.

Ficos Bestrebungen sind auf das slowakische Innenleben bedacht. Der Führer der sozialdemokratischen Smer-SD steht im Wahlkampf. Am 5. und 6. März will Fico die absolute Mehrheit im Parlament und sein Regierungsamt verteidigen. Dazu braucht er auch die Stimmen der national und christlich-katholisch ausgerichteten Wählerschaft. Das - so offenbar glaubt es Fico - bedarf der Abschottung gegen Andersdenkende und Andersgläubige, vor allem der Muslime.

Angesichts der Zahlen der in der Slowakei lebenden Angehörigen des islamischen Glaubens kann Robert Fico nicht ernsthaft an eine Bedrohung glauben. Nach Schätzungen der Glaubensgemeinschaft unter Imam Mohamad Safwan Hasna leben in der Slowakei etwa 5000 Muslime, Nachkommen der ungarischen und osmanischen Heere, die im ausgehenden Mittelalter um die Vormachtstellung in der Region kämpften. Das sind nicht einmal 0,1 Prozent der Landesbevölkerung. Darunter sind auch einige Hundert Bosnienflüchtlinge aus dem Balkankrieg der 90er Jahre.

Aktuell soll die Slowakei 169 Flüchtlinge beherbergen, die 2015 einen Asylantrag in der Donaurepublik gestellt hatten. Weder gibt es im Lande ein größeres islamisches Kulturzentrum noch eine Moschee, von der aus zum »Kampf gegen das Abendland« aufgerufen werden könnte. Innenpolitische Kritiker verweisen daher auch darauf, dass Fico die Flüchtlingsdebatte aktuell zu Wahlkampfmaßnahmen missbrauche.

Dass alle vier Staaten der Vysegrad-Gemeinschaft - außer der Slowakei sind dies Polen, Tschechien und Ungarn - der EU-Flüchtlingsregelung skeptisch gegenüberstehen, ist nichts Neues. Dass der Sozialdemokrat Fico sich mit seinen teils drastischen Äußerungen jedoch in eine Reihe mit Ungarns konservativem Viktor Orban und der neuen Warschauer Regierungschefin Beata Szydlo von der nationalkonservativen PiS einreiht, verblüfft dennoch. Denn im Gegensatz zu den beiden populistisch und euroskeptisch eingestellten und eher rechtskonservativen Politikern galt Fico als ausgleichender und versöhnlicher Regierungschef, der sowohl die Integration der Slowakei in die EU fördert als auch den Kontakt zu den östlichen und traditionellen Partnern nicht verlieren will.

Inwieweit die Abschottungspolitik nur ein wahlkampftaktisches Manöver ist, wird sich spätestens ab Juli zeigen, wenn Bratislava die EU-Präsidentschaft übernimmt.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -