Ruf nach einheitlichen Kita-Standards
Verbände fordern bundesweites Qualitätsgesetz
Mehrere Organisationen haben die Bundesregierung dazu aufgefordert, die Qualität in der Kita-Betreuung deutschlandweit mit einem Gesetz zu regeln. Dies sei erforderlich, um in allen Ländern gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen, teilten der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO), die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Deutsche Caritasverband am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung eines von ihnen in Auftrag gegebenen Gutachtens mit. Bislang zeigt die Bundesregierung unter Verweis auf die Zuständigkeit der Länder dazu allerdings wenig Bereitschaft.
Der AWO-Vorstandsvorsitzende Wolfgang Stadler bezeichnete es als »unhaltbaren Zustand«, dass Rahmenbedingungen und Qualitätsstandards zwischen den Bundesländern »erhebliche Unterschiede« aufwiesen. Gerade angesichts des starken Zustroms von Flüchtlingen müssten Kinderbetreuungs- und Bildungseinrichtungen entsprechend ausgestattet werden, da ihnen eine zentrale Rolle bei der Integration der Flüchtlinge zukommen. Bei der Bewältigung dieser Aufgabe dürften die Länder und Kommunen vom Bund nicht alleine gelassen werden, weder strukturell noch personell. Stadler bezifferte den finanziellen Mehrbedarf für den qualitativen und quantitativen Ausbau der Kinderbetreuung auf mindestens neun Milliarden Euro.
Erstellt wurde das Gutachten von Professor Joachim Wieland, der an der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer einen Lehrstuhl für Öffentliches-, Finanz- und Steuerrecht inne hat. Wieland lässt den Verweis an die Zuständigkeit der Länder nicht gelten. Vielmehr habe der Bund laut Grundgesetz und fortlaufender Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes »eine eindeutige Gesetzgebungskompetenz in Fragen der öffentlichen Fürsorge im Sinne der Herstellung gleichartiger Lebensverhältnisse«. Auf dieser Grundlage gebe es auch zweifelsfrei die Möglichkeit für den Bund, die Realisierung einheitlicher Qualitätsstandards z.B. bei den Betreuungsschlüsseln, zu finanzieren.
In der Studie weist Wieland darauf hin, dass der Fachkraft-Kind-Schlüssel bei der Betreuung von unter Dreijährigen derzeit zwischen eins zu 4,3 und eins zu 8,9 variiere, während die Wissenschaft einen Schlüssel von eins zu drei (bei unter Einjährigen sogar eins zu zwei) empfiehlt. Ähnlich verhält es sich mit der Bandbreite der Schlüssel in den einzelnen Ländern bei der Betreuung drei- bis sechsjähriger Kinder.
Mit einer schnellen bundeseinheitlichen Lösung für die Qualitätssicherung in Kinderbetreuungseinrichtungen ist allerdings nicht zu rechnen. Immerhin hat Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) jetzt eine Bund-Länder-Kommission einberufen, die bis Ende 2016 entsprechende Vorschläge formulieren soll.
Am Rande der Vorstellung des Gutachtens wies Norbert Hocke, der im GEW-Hauptvorstand für den Bereich zuständig ist, auf ein anderes Problem bei der Qualitätssicherung der Kinderbetreuung hin: Solange die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung der dort tätigen Fachkräfte so unattraktiv blieben, wie es derzeit der Fall sei, »werden wir große Probleme haben, genügend junge Leute zu einer Ausbildung als Erzieher zu motivieren«, so Hocke gegenüber »nd«. Mit Agenturen
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