Bis zum guten Ende

Der »nd«-Filmclub im Kino Toni fokussiert Frauenbilder im DEFA-Film der 70er und 80er Jahre

  • Günter Agde
  • Lesedauer: 4 Min.

Sechs DDR-Spielfilme zeigt der »nd«Filmclub ab diesem Mittwoch (bis Mai 2016) im Weißenseer Kino Toni. Unter dem spröden, wenngleich treffenden Titel »Frauenbilder in Gegenwartsfilmen der DDR in den 1970er und 1980er Jahren« werden fünf DEFA-Produktionen und eine des DDR-Fernsehens zu sehen sein. Diese Auswahl konzentriert sich auf unzweifelhafte Höhepunkte der darstellenden Künste jener Jahre, wenngleich das Angebot weitaus reicher war, als hier widergespiegelt wird. Aber auch diese subjektive Auswahl lohnt in jedem Falle. Der »nd«-Filmclub hat sich mittlerweile etabliert, wohl auch, weil es in Weißensee offenbar noch viele DEFA-»Patrioten« gibt, die sich via Spielfilm in einem »richtigen« Kino mit großer Leinwand gern und mit Vergnügen an ihre Jugend erinnern.

Die spröd-herbe Lehrerin Susanne (Heidemarie Wenzel) gerät unversehens in einen bedrohlichen Zwiespalt zwischen ihrem Liebsten (einem Biologen) und einem kraftvoll von der Seite kommenden Arbeiter. Sie quält sich redlich, bis sie zu einer lebenswerten Entscheidung findet (»Zeit der Störche«, 1971, Regie Siegfried Kühn). Die temperamentvolle Postbotin, alleinerziehend, sucht sich ihre Männer selbst und ohne Umschweife aus, bis sie auf einen trifft, mit dem das nicht so schnell zu machen ist (»Rotfuchs«, 1973, Regie Manfred Mosblech). Auch Margit Fließer (in »Der Dritte«, 1972, Regie Egon Günther) sucht ihren (dritten) Mann selbst, und als sie ihn getroffen hat, spinnt sie ihn mit allen ihren weiblichen und intellektuellen Mitteln ein, unterstützt von ihrer genauso resoluten und sehnsüchtigen Freundin. Und die Hostess Jette (»Hostess«, 1976, Buch und Regie Rolf Römer, der die Rolle für seine Frau Annekatrin Bürger schrieb) gerät zwischen zwei sehr unterschiedliche Männer, auch sie löst mit Kraft und Mühe ihren Konflikt. So sonderbar wie der Titel ankündigt, ist diese Liebe der Küchenchefin Sibylle gar nicht, nur tut sich Sibylle sehr viel schwerer als andere Frauen, mit Vernunft und erst allmählich aufkeimender Liebe zu einem späten Lebensglück zu gelangen (»Eine sonderbare Liebe«, 1986, Buch und Regie Lothar Warneke). Und in »Alle meine Mädchen« (1980, Regie Iris Gusner, die einzige Regisseurin dieser Reihe) eskalieren die Konflikte junger Mädchen in einer Brigade mit ihrer Chefin (Christine Schorn), die Liebe kommt erst später dazu.

So lebhaft seinerzeit diese (und die anderen, nicht von der »nd«-Reihe erfassten) »Frauengeschichten« angesehen und begrüßt wurden, so kam es doch unter der Hand zu Diskussionen, inwieweit die dargestellten Emanzipationsgeschichten der tatsächlichen Gleichberechtigung der Frauen im Leben und in den Betrieben der DDR entsprachen. Und ob nicht die Nettigkeiten mancher Wendungen in diesen Filmen eher einem harmonisierenden Wunschdenken nahekamen. Das wäre wohl - auch jenseits der »Toni«-Abende - zu debattieren. Tatsächlich folgten die Geschichten eher bieder-traditionellen Erzählweisen, mit klarem Anfang und klarem Schluss (einem guten natürlich), wie es den Filmmustern jener Jahre entsprach. Sie brauchten keine dramaturgischen Modernismen, um glaubwürdig zu bleiben und um Anteilnahme herauszufordern. Ein Blick von heute aus auf die alten Frauengeschichten aus einem vergangenen Land kann durchaus mancher aktuellen Gender-Debatte ein eigentümlich-verfremdendes Licht aufsetzen, die Filme halten dafür gute Argumente bereit.

Wie schon die verknappten Fabelskizzen zeigen, handelt es sich durchweg um Alltagsgeschichten, die alle von Frauen getragen oder gar bestimmt werden, keine Märchen- oder Hochglanz-Partnership-Prinzessinnen und auch keine Denkmäler. Alle sind sie selbstbewusst, oft schlagfertig und geradezu, ihren Berufen und ihrer Arbeit zugetan und sich ihrer weiblichen Sinnlichkeit sehr bewusst (was man mit Vergnügen auch heute noch ansieht). Und sie sind schön, zumal sie - und auch die weiblichen Nebenrollen - von den Kostümbilderinnen (wieder nur Frauen!) mit Stoffen und Farben sorgfältig und mit sinnlichem Einfallsreichtum eingekleidet wurden - mit solchen Frauen wie in diesen Filmen wäre man wohl auch heute gern zusammen.

Die Hauptdarstellerinnen und die Filmemacher werden zu den Vorführungen »ihrer« Filme ins »Toni« kommen, um anschließend mit den Zuschauern zu diskutieren.

27. Januar, 18 Uhr, »nd«-Filmclub: »Zeit der Störche«. Kino Toni, Antonplatz 1, Weißensee. Weitere Filme am 24.2., 8.3., 30.3., 27.4. und 25.5.

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