UN-Gremium fordert Entschädigung für Assange
UN-Rechtsexperten: Wikileaks-Gründer unrechtmäßig in Haft / Experten fordern Entschädigung durch Schweden und Großbritannien / LINKE: Bundesregierung muss dem Whistleblower Asyl anbieten
Genf. UN-Rechtsexperten haben die jahrelange Botschaftszuflucht des Wikileaks-Gründers Julian Assange in London als Freiheitsberaubung und eine Form der willkürlichen Haft eingestuft. Verantwortlich dafür seien die juristischen Aktionen Schwedens und Großbritanniens, erklärte die unabhängige Arbeitsgruppe zum Thema willkürliche Inhaftierungen (WGAD) am Freitag in Genf.
Die Arbeitsgruppe »sieht die verschiedenen Formen der Freiheitsberaubung, denen Julian Assange ausgesetzt wurde, als eine Form der willkürlichen Inhaftierung an«, erklärte deren Vorsitzende, der südkoreanischen Experten für internationales Recht Seong-Phil Hong.
Die Experten riefen die Regierungen beider Länder auf, dafür zu sorgen, dass Assange sich frei bewegen kann. Zudem müsse er für die erzwungene Zuflucht in der Botschaft Ecuadors seit Juni 2012 sowie zuvor eine Haftzeit und Hausarrest seit Dezember 2010 entschädigt werden, heißt es in einer UN-Mitteilung zum Gutachten der Juristengruppe.
Der 44 Jahre alte Australier hatte 2014 bei der WGAD Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, er sei »willkürlich inhaftiert«, da er die Botschaft Ecuadors in London nicht verlassen könne, ohne umgehend festgenommen zu werden. Assange sitzt seit dreieinhalb Jahren dort im Exil. Wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs in Schweden liegt ein europäische Haftbefehl gegen ihn vor. Außerdem droht dem Whistleblower, der maßgeblich an der Veröffentlichung geheimer US-Dokumente auf der Plattform Wikileaks beteiligt war, möglicherweise lebenslange Haft in den USA.
Unabhängig von der Bewertung der UN-Experten sehen sich Polizei und Behörden in Großbritannien laut verschiedener Medienberichte weiterhin in der Pflicht, Assange festzunehmen und an Schweden ausliefern.
Die LINKE fordert von der Bundesregierung, die richtigen Schlüsse aus dem Votum des UN-Gremiums zu ziehen und Assange in Deutschland Asyl anzubieten. »Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier haben sich durch ihre jahrelange Unterstützung der britischen und schwedischen Positionen im Fall Assange mitschuldig an der unrechtmäßigen Festsetzung des Wikileaks-Gründers gemacht«, kritisiert die Sprecherin für Internationale Beziehungen der LINKEN, Sevim Dagdelen.
Unteredessen macht sich die Mutter des Wikileaks-Gründers große Sorge um ihren Sohn. »Sein Körper gibt langsam auf, er hat schon Herzprobleme, eine chronische Lungenentzündung und schwere Schulterschmerzen«, sagte Christine Assange am Freitag dem australischen Rundfunksender ABC. Ärzte hätten unter anderem eine Stunde Sonnenlicht pro Tag empfohlen, »aber die britische Regierung verweigert dies«, wie Christine Assange sagte. Agenturen/nd
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