»Gefährliche Botschaft«

Unabhängige Expertengruppe präsentiert Bericht zu verschwundenen mexikanischen Studenten von Ayotzinapa

  • Gerd Goertz, Mexiko-Stadt
  • Lesedauer: 3 Min.
Internationale Experten haben der mexikanischen Regierung eine Blockade der Aufklärungsarbeit nach dem mutmaßlichen Massenmord an 43 Studenten vor mehr als eineinhalb Jahren vorgeworfen.

Zuletzt noch einmal ein Affront. Am Sonntag (Ortszeit) stellte die fünfköpfige internationale unabhängige Expertengruppe (GIEI) der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) in Mexiko-Stadt ihren zweiten Bericht zum Verschwindenlassen der 43 Lehramtsstudenten von Ayotzinapa in der Nacht vom 26. auf den 27. September 2014 vor. Kein einziger Repräsentant der mexikanischen Regierung war anwesend. Präsident Enrique Peña Nieto dankte der GIEI Stunden später lapidar per Twitter für ihre Arbeit. In den Wochen zuvor hatte die Regierung unmissverständlich klar gemacht, keine zweite Mandatsverlängerung für die Gruppe zuzulassen. Offiziell endet das Mandat am 30. April.

Eine lückenlose Aufklärung der vor mehr als anderthalb Jahren durchgeführten und koordinierten Attacken von lokaler Polizei und Mitgliedern des organisierten Verbrechens gegen die Studenten in der Stadt Iguala, Bundesstaat Guerrero, scheint damit unwahrscheinlicher denn je. Zu deutlich war in den vergangenen Monaten das Bemühen der Autoritäten, den Ermittlungen keine Impulse zu geben. Neue Hinweise für die mögliche tiefere Verstrickung auch von Militär und Bundespolizei wurden nicht weiterverfolgt. Die Regierung beharrt auf ihrer Version, die Studenten seien noch in der Tatnacht auf der Müllhalde des an die Stadt Iguala angrenzenden Landkreises Cocula verbrannt wurden. Die unabhängige Expertengruppe der CIDH sowie die zeitweise an den Untersuchungen beteiligten Mitglieder des Argentinischen Forensikerteams (EAAF) halten dies nach den von ihnen zusammengetragenen wissenschaftlichen Erkenntnissen für unmöglich.

Die GIEI machte am Sonntag klar, unter den gegebenen Bedingungen seien keine gesicherten Schlussfolgerungen über den Verbleib der Studenten möglich. Unter anderem gelang es der mexikanischen Generalbundesstaatsanwaltschaft (PGR) erfolgreich, die von den unabhängigen Experten eingeforderte direkte Befragungsmöglichkeit der in Iguala in unmittelbarer Nähe des Tatortes stationierten Militärs zu verhindern. Die Fragen, die die GIEI gern an die Soldaten gestellt hätte, sind nun im zweiten Bericht veröffentlicht. Dieser stellt auf mehreren hundert Seiten ausführlich den bisherigen Untersuchungsstand, Ermittlungsschwachpunkte sowie mögliche neue Ermittlungslinien vor.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einer »gefährlichen Botschaft«, die die mexikanische Regierung sende. Jeder könne in Mexiko verschwinden, ohne dass etwas unternommen würde. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission, mit der sich die mexikanische Regierung zuletzt heftige Wortgefechte geliefert hatte, kündigte die Suche nach einem geeigneten Sondermechanismus an, den Fall der verschwundenen Studenten weiter zu verfolgen. Präsident Peña Nieto dagegen hat mehrfach durchblicken lassen, die »bedauernswerten Vorkommnisse« von Iguala müssten »überwunden« und der Blick »in die Zukunft« gerichtet werden. Die Familienangehörigen der Opfer pochten bis zuletzt auf eine Mandatsverlängerung der GIEI. Ende März pflanzten sie am kleinen Denkmal für die Studenten an der Avenida Reforma in Zentrum von Mexiko-Stadt Vergissmeinnicht. Für diesen Dienstag haben sie zu einer Demonstration aufgerufen.

Der auf Spanisch verfasste zweite Bericht der Expertengruppe GIEI kann unter diesem Link eingesehen werden: dasND.de/Ayotzinapa

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