Auf einer Welle von weißem Protest und weißer Wut
Leonard Zeskind über den republikanischen Präsidentschaftskandidaten
Beim Versuch, das Phänomen Donald Trump zu erklären, sehen etliche Politologen und Journalisten die USA wie Deutschland in den 1930er Jahren auf dem Weg in den Untergang. Ist das übertrieben oder eine richtige Warnung?
Die USA sind seit dem Ende des Bürgerkriegs vor 150 Jahren eine parlamentarische Demokratie. Nach dem Genozid an den Native Americans wurden sogenannten Farbigen die Bürgerrechte verweigert. Das Land arbeitet an einer Art Wiedergutmachung, wenn auch recht zaghaft. Die Weimarer Republik war dagegen erst ein Dutzend Jahre alt, als sie von den Nazis zerstört wurde. Es gibt also kaum eine Grundlage für den Vergleich beider Gesellschaften.
Nun glauben nicht wenige weiße Amerikaner, sie befänden sich wegen der Bürgerrechtsgesetzgebung, wegen der Einwanderung und wegen eines schwarzen Präsidenten auf der Verliererstraße. Sie wünschen sich starke Anführer, die sie zu dem ihnen vermeintlich zustehenden Platz in der sozialen Ordnung zurückverhelfen sollen. Als Erklärung für dieses Phänomen auf die kapitalistische Entwicklung zu verweisen, halte ich für falsch. Denn die schwarze Bevölkerung lebt unter noch schwierigeren wirtschaftlichen Bedingungen und unterstützt Trump nicht. Das sind alles Weiße.
»So kommt der Faschismus nach Amerika«, überschrieb Robert Kagan einen viel beachteten Artikel in der »Washington Post«. Könnte man Trump als Tyrannen beschreiben, der auf einer Welle von Protest, Wut und Enttäuschung reitet?
Trump wäre gern ein Tyrann. Aber er ist kein Faschist. Er reitet auf einer Welle von weißem Protest und weißer Wut. Vor ihm haben das in den USA andere getan.
Der Schauspieler George Clooney nannte Trump einen »xenophoben Faschisten«, der Comedian Louis C.K. sagt, »der Kerl ist Hitler«. Dagegen schrieb Gianni Riotta in »The Atlantic«: »Ich bin todsicher: Trump ist kein Faschist«. Amerika solle die Dämonen bekämpfen, die Trump entfesselt hat. Ist er ein rechter Populist?
Er ist ein weit rechts stehender Populist. Das drücken allein schon sein Wahlkampfslogan »Make America Great Again« und seine politischen Vorschläge gegen Einwanderer und Muslime aus. »Populismus« allein hat keine Bedeutung. Er ist kein ideologisches Phänomen, sondern eine Politik des Stils - und die wird von rechts wie von links gemacht.
Wo sehen Sie Parallelen zwischen der Trump-Bewegung und rechts-populistischen Bewegungen in Europa?
Es handelt sich um rechtsextrem-nationalistische Bewegungen. Sie weisen alle dieselbe Bandbreite auf, von einem scharf rassistischen Nationalismus bis hin zu einem schrägen Konservatismus. Ihr Nationalismus drückt sich in der Ablehnung von Globalisierung und international agierenden Bewegungen und Institutionen aus. Eine weitere Gemeinsamkeit: In Wahlen sind sie derzeit alle sehr erfolgreich.
Wo liegen die Unterschiede?
In europäischen Ländern haben kleine Parteien eher Chancen, in die Parlamente einzuziehen. In den USA existieren dafür viel größere Hürden. In Ländern wie Frankreich, Deutschland und Österreich konnten deshalb rechtsextreme Nationalisten Sitze in kommunalen, regionalen und nationalen Vertretungen gewinnen. In den USA haben sie sich dagegen in die Republikaner-Partei integriert, die eine der beiden großen ist. Ein weiterer, wichtiger Unterschied: Legaler Waffenbesitz ist den USA weit verbreitet, ebenso eine Waffenkultur. Dies stellt einen Pool dar, in dem die Rechtsextremen erfolgreich fischen und rekrutieren. Es ist ihnen bewusst. Deshalb können in den USA bewaffnete, nationalistische Milizen operieren.
Verstellt die Diskussion, wie man Trump bezeichnen sollte, den Blick für das eigentliche Problem?
»Faschismus« ist viel öfter eine Beleidigung und ein Slogan als ein analytisches Werkzeug. Dennoch können sich Antifaschisten in die Diskussion einmischen, wenn sie ihn analytisch verwenden. Ob Trump ein Faschist ist oder nicht, stellt insofern keine Ablenkung vom Thema dar. Denn für eine aktive Opposition gegen ihn und die Aufklärung darüber, wofür er steht, ist es höchste Zeit.
Leonard Zeskind ist ein linker Buchautor und Menschenrechtsaktivist. Er forscht seit vier Jahrzehnten über Rechtsextremismus in den USA und leitet das »Institute for Research and Education on Human Rights« in Kansas City. Mit ihm sprach für »nd« Max Böhnel.
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